Von der Hochschule Neubrandenburg zum Landesbaupreis: Ein Interview mit dem Freiraumplaner Thomas Michelsen

Thomas Michelsen gewann 2022 den Landesbaupreis und studierte an der Hochschule Neubrandenburg Landschaftsarchitektur.
Studierende und Lehrende arbeiten eng zusammen, sodass die Lerneffekte möglichst hoch sind. Hier erklärt Prof.in. Dr.in Caroline Rolka (2. v. l.) etwas über Denkmalpflege anhand der Jahn-Kapelle in Klein Vielen. Foto: Hochschule Neubrandenburg

Die Hochschule Neubrandenburg ist ein Ort des Wissens und der grenzenlosen Möglichkeiten. Mit ihrem vielfältigen Studienprogramm lockt sie jedes Jahr knapp 700 neue Studierende aus der Region und darüber hinaus an. Doch während einige ihr Studium beginnen, schließen andere es erfolgreich ab und verlassen die Hochschule mit einem Bachelor- oder Masterabschluss. Durchschnittlich sind es rund 550 Alumni pro Jahr. Einer von ihnen ist Thomas Michelsen. Er absolvierte von 2011 bis 2015 den Studiengang „Landschaftsarchitektur“ an der Hochschule Neubrandenburg. Sieben Jahre später gewann er mit seinem derzeitigen Arbeitgeber der „proske landschaftsarchitektur GmbH“ den Landesbaupreises 2022. In einem kurzen Interview erzählte er uns, wie er die Zeit an der Hochschule Neubrandenburg erlebte und anschließend in die Arbeitswelt einstieg. 

Herr Michelsen vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein kurzes Interview mit uns nehmen. Zu Beginn würden wir gerne noch einmal zu Ihren Anfängen zurückgehen. Wie sind Sie damals auf die Hochschule Neubrandenburg aufmerksam geworden und was hat Sie dazu bewogen, dort studieren zu wollen?

Bei mir war es so gewesen, dass ich schon eine klare Vorstellung von meinem Studienfach hatte, als ich im Internet angefangen habe zu suchen. Dabei bin ich dann auch auf die Hochschule Neubrandenburg gestoßen. Da ich mich eher zu meiner Heimatregion hingezogen fühlte als zu großen Städten oder fernen Ländern, entschied ich mich für die Hochschule Neubrandenburg und bewarb mich dort.

Nachdem die Bewerbung erfolgreich war und Ihr Studium begann. Wie haben Sie die Atmosphäre und das Campusleben an der Hochschule erlebt?

Die Atmosphäre fand ich sehr familiär. Durch die kleine Gruppengröße unseres Studiengangs konnten wir einen engen Kontakt zu den Professoren aufbauen. Sie standen uns immer mit Rat und Tat zur Seite. Zu dem Campusleben kann ich nur dasselbe sagen. Es war auch hier eine angenehme und offene Umgebung.

Inwiefern würden Sie sagen, hat Ihnen Ihr Studium bei Ihrer beruflichen Laufbahn geholfen?

Das Studium war für mich eine wichtige und grundlegende Vorbereitung auf meinen jetzigen Beruf. Es hat mir das nötige Wissen vermittelt und mich in meiner Berufswahl bestärkt. Da in einem Studium meist nur das Grundwissen gelehrt wird und mir mein Fachgebiet unheimlich viel Spaß macht, bilde ich mich seit meinem Abschluss regelmäßig weiter. Ich besuche verschiedene Seminare, Fortbildungen oder auch Messen. Seit der Coronazeit nutze ich auch die vielen Online-Angebote, die mir viel Flexibilität und Komfort bieten.

Sie sind nun seit mehreren Jahren in der Landschaftsarchitektur tätig. Können Sie uns verraten, wie ein typischer Arbeitsalltag bei Ihnen aussieht?

Jeder Tag ist anders. Das ist das Spannende an meinem Beruf. Je nach Projekt und Projektstand warten die unterschiedlichsten Aufgaben auf mich. Mal bin ich auf der Baustelle, um den Fortschritt zu überwachen, mal im Büro, um kreative Ideen zu entwickeln, mal in Besprechungen mit Bauherrn und anderen Beteiligten, um gemeinsam die beste Lösung zu finden. Manchmal erlebe ich all das an einem einzigen Tag.

In der Regel ist es so, dass ich mehrere Projekte gleichzeitig bearbeite. Manche sind noch in der Anfangsphase, wo ich erste Skizzen und Entwürfe anfertige. Andere sind schon in der Ausführung, wo ich die Betreuung der Baustelle übernehme. Zwischendurch kommuniziere ich mit verschiedenen Partnern, wie den Bauherrn, der Behörde oder den Architekten, um meine Pläne abzustimmen und Feedback einzuholen. Wenn ich eine Rückmeldung bekomme, kann ich das entsprechende Projekt weiter voranbringen. Daher arbeite ich effizient und dynamisch an fünf bis zehn Projekten gleichzeitig. So sieht dann mein spannender Arbeitsalltag aus.

Wow, fünf bis zehn Projekte gleichzeitig zu bearbeiten, klingt nicht sehr einfach. Wie gehen Sie denn bei einem neuen Projekt vor? Welche Schritte oder Phasen gibt es von der ersten Idee bis zur Fertigstellung?

Klassischerweise richten wir uns bei der Projektbearbeitung nach den Leistungsphasen der HOAI. Diese Verordnung definiert die Aufgaben von Architekten und Ingenieuren bei der Planung und Umsetzung von Projekten. Für uns Freiraumplaner und Landschaftsarchitekten gibt es neun Leistungsphasen, die ich hier kurz skizzieren möchte. Zuerst machen wir uns mit der neuen Aufgabe vertraut, analysieren vorhandene Pläne, besprechen die Wünsche der Auftraggeber*in und besichtigen den Ort. Anschließend entwickeln wir erste Entwürfe und Skizzen und stimmen diese mit dem Auftraggebenden sowie anderen Beteiligten ab. Wir passen unsere Pläne in mehreren Runden an, bis wir die optimale Lösung gefunden haben. Danach planen wir das Projekt so detailliert, dass eine Firma es bauen kann. Wir erstellen ein Leistungsverzeichnis, das die Leistung beschreibt. Anschließend wird die Bauleistung ausgeschrieben und wir werten die eingehenden Angebote aus. Ist eine Firma gefunden, wird die Planung umgesetzt. Dabei begleiten wir ebenfalls das Projekt, schreiben Bauprotokolle und prüfen Rechnungen. Wenn alles fertig ist, erfolgt die Abnahme und Dokumentation. Auch danach betreuen wir das fertige Objekt je nach Leistungsumfang, indem wir zum Beispiel Pflegeleistungen der Baufirmen an den Pflanzungen kontrollieren oder auf eventuell auftretende Mängel hinweisen. Das ist unser professioneller und kreativer Arbeitsprozess.

Wenn Sie so viele Projekte gleichzeitig bearbeiten, können Sie uns da verraten, welche Projekte Sie bisher realisiert haben oder an welchen Sie mitgewirkt haben? Welches war Ihr Lieblingsprojekt und warum?

Oh, das würde eine lange Liste werden. Schließlich bin ich schon 8 Jahre dabei und habe dabei an vielen spannenden und vielfältigen Projekten mitgewirkt. Ich zähle mal einige unterschiedliche auf, um die Bandbreite aufzuzeigen. In Hamburg habe ich mehrere Wohnbauprojekte realisiert, bei denen ich unter anderem Tiefgaragendächer in grüne Oasen verwandelt habe. Ich habe auch schon Außenanlagen von Alten- und Pflegeheimen gestaltet, die den Bewohnenden Erholung und Freude bieten sollen. Ein Spielplatz und ein Schulhof in Dömitz gehören ebenfalls zu meinen Referenzen.

Mein erstes großes Projekt waren die Außenanlagen für das neue Laborgebäude des Fachbereichs Bauingenieurwesen an der Hochschule Wismar. In Schwerin habe ich unter anderem an der Planung der Außenanlagen von Horteinrichtungen und Wohngebäuden, der Neugestaltung des Domumfeldes oder der Sanierung von denkmalgeschützten Grabfeldern auf dem Alten Friedhof mitgewirkt. Ein besonderes Projekt war natürlich die Gedenkstätte in Wöbbelin.

Mein Lieblingsprojekt war und ist die Neugestaltung eines Schulhofs für eine Schule in der Hamburger Allee in Schwerin. Hier wird ein alter Schulblock in Plattenbauweise aus DDR-Zeiten derzeit saniert und im Zuge dessen auch der komplette Schulhof umgestaltet. Dabei bin ich als Projektleiter komplett für die Planung und Umsetzung verantwortlich. Es ist mein bisher größtes Projekt und es erfüllt mich schon jetzt mit Stolz, den Kindern einen wunderbaren Schulhof zu schaffen.  Ich erinnere mich an meinen eigenen tristen Schulhof zurück und freue mich über den schönen Kontrast.

Sie haben es eben schon angesprochen. Ein besonderes Projekt von Ihnen war die Gedenkstätte in Wöbbelin. Mit dem Projekt „Neugestaltung Gedenkstätte ehemaliges Lagergelände KZ Wöbbelin“ haben Sie den Landesbaupreis 2022 gewonnen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das ehemalige Lagergelände des KZ Wöbbelin neu zu gestalten und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Ich bin Teil eines großartigen Büros, das den Landesbaupreis 2022 gemeinschaftlich gewonnen hat. Die Ursprungsidee für das Projekt kam von meinem Chef, der eine klare Vision davon hatte. Er entwickelt oft die ersten Ideen für unsere Projekte. Wir als seine Mitarbeitenden unterstützen ihn dann bei der Umsetzung oder übernehmen die Projekte ganz, je nach Projektphase und Anforderung. Daher ist mein Lieblingsprojekt auch die oben erwähnte Schule, da ich hier von Anfang an auch die ersten Entwürfe und Ideen entwickeln konnte.

In Wöbbelin war ich hauptsächlich für die Umsetzung des Projekts in der Bauphase zuständig, was eine spannende und verantwortungsvolle Aufgabe war. Ich musste mich in die Geschichte des Ortes einfühlen und der Baufirma vermitteln, dass es ein sensibler Ort ist. Wir mussten bei den Arbeiten sehr behutsam vorgehen. Bei den Erdarbeiten haben wir zum Beispiel einmal alte Fundamente gefunden, von denen nicht mal die Mitarbeitenden der Gedenkstätte Kenntnis hatten. Die durften natürlich nicht beschädigt werden und wurden von Archäologen genau eingemessen.

Wenn Sie sagen, Sie haben sich in die Geschichte des Ortes hineinversetzt, wie wollten Sie dann mit der Gestaltung die Erinnerungskultur und das Bewusstsein für die Geschichte des Lagers fördern oder vermitteln?

Wir wollten die historischen Dimensionen des Bösen sichtbar machen, die sich auf diesem Gelände abspielten. Vor der Neugestaltung befand sich hier ein Wald mit sehr dichtem Unterholz. Ein in Teilen unvollständiger Palisadenzaun markierte die Umrisse der großen Baracken, die sich auf dem Gelände befanden. In dem Lager waren in den wenigen Wochen, in denen es bestand, über 5000 Menschen untergebracht und über 800 kamen zu Tode sind gestorben. Die Menschen waren in vier Baracken mit einer Grundfläche von jeweils circa 60 mal 10 Meter untergebracht.

Um die Größe der Baracken zu verdeutlichen, haben wir helle Metallstelen an ihren Ecken aufgestellt. Diese Stelen finden sich auch am Museum im Ort als Informationstafeln und schaffen so eine Verbindung. Wir haben den Wald ausgelichtet und Naturrasenflächen angelegt, damit das Auge die Stelen verbinden kann. So entsteht ein Gefühl für die Größe der ehemaligen Baracken und das Ausmaß der Grausamkeit, die hier geschah. Durch diese Maßnahmen können wir das Gelände besser pflegen und die Stelen erinnern dauerhaft an die „Dimension des Bösen“.

Zum Abschluss des Interviews möchten wir gerne weg vom Bösen und hin, zu etwas Gutem. Welche Visionen und Wünsche haben Sie für Ihre weitere Arbeit als Freiraumplaner? Möchten Sie den Studierenden an der Hochschule Neubrandenburg noch einen Tipp für die Zukunft mitgeben?

Ich erhoffe mir, dass ich weiterhin viele spannende Projekte umsetzen darf und die Menschen mit meiner Planung glücklicher mache, beziehungsweise Orte schaffe, an denen sich die Leute gerne treffen. Der Klimawandel beeinflusst immer mehr unsere Planung und es wird eine große Aufgabe für Landschaftsarchitekten sein, die Freiräume zukunftsfähig und nachhaltig zu gestalten. Das finde ich spannend.

Persönlich möchte ich irgendwann einmal selbstständig sein. Eventuell als Partner in meinem jetzigen Büro. Aber das wird die Zeit zeigen…

Mein wichtigster Tipp für alle angehenden Landschaftsarchitekten ist: Sammelt praktische Erfahrungen! Damit meine ich nicht nur im Büro, sondern vor allem auf der Baustelle. Es nützt nichts, sich die tollsten Sachen auszudenken, welche später aber nicht umgesetzt werden können. Ich war in den Semesterferien immer bei einer Galabaufirma jobben. Das hat mir ungemein geholfen, mich in die praktischen Abläufe draußen auf der Baustelle hineinzuversetzen, denn am Ende sind es immer noch Menschen, die eure Entwürfe verwirklichen müssen.

Wir bedanken uns bei Herrn Michelsen für diese interessante und aufschlussreiche Gespräch und wünschen ihm alles erdenklich Gute für die Zukunft.

 


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