„Jenseit des Tweed“ - Impressionen aus Schottland

"Im Februar dieses Jahres machte ich mich auf den Weg in die Ferne, denn mein Praxissemester als angehender Landschaftsarchitekt erwartete mich im Royal Botanic Garden Edinburgh in Schottland", ... so berichtet Holger Rothamel, Student der Landschaftsarchitektur.

Landschaftsszenerien von versteinerten Brücken in Nebel bedeckten Landstrichen, von 1000 Jahre alten Burgen, die teils mit dunkel grünem Moos verziert sind und von riesigen Gebirgslandschaften mit Flusstälern, an denen zu beiden Seiten uneingezäunt Schafe weiden, all das Assoziationen über das Land jenseits des Flusses Tweed.

Im Februar dieses Jahres machte ich mich auf den Weg in die Ferne, denn mein Praxissemester als angehender Landschaftsarchitekt erwartete mich im Royal Botanic Garden Edinburgh in Schottland. Dabei wurde mir immer wieder nahe gelegt, den Regenschirm nicht zu vergessen, was ich auch berücksichtigte. Der Gedanke auf eine grau-grüne Landschaft zu treffen und diese bei Regen zu erkunden bestärkte meine Vorstellung über dieses Land und irgendwie das was ich wollte. Doch gleich an meinen ersten Tag war von Regen keine Spur. Im Gegenteil, die Sonne machte sich in der ganzen Stadt breit, was ich als sehr nette Begrüßung empfand und mir auch gleich zu nutze machte. Das Stadtbild ist geprägt durch Sandsteinbauten in roten und beigen Farbtönen, was sie schon fast wieder monoton, langweilig erscheinen lässt. Aber wer die Abendstunden und somit den Einbruch der Dämmerung abwartet wird fasziniert von dem goldfarbenen Anblick dieser Stadt sein, in der sie eintaucht bevor sie sich der Nacht widmet. Oft wurde ich belohnt, wenn ich abseits der Hauptwege ging und mich durch enge Gassen und versteckte Durchgänge schlich. Hier warteten oft kleine Hinterhöfe mit kopfsteingepflasterten Belägen umschlossen in alter Architektur, in denen ich gemütliche Cafés und Pubs wiederfand. In dieser teils dörflich wirkenden Idylle lernte ich nicht nur die sehr gastfreundlichen Schotten kennen, sondern auch Norweger, Belgier, Amerikaner, Franzosen, Australier, Polen und Kanadier.

Genauso faszinierend war die Arbeit im Royal Botanic Garden. Nicht nur die Art und Weise wie eine so hohe Artenvielfalt dem Besucher nahe gebracht wird, sondern mit welcher Wertschätzung dieser Garten von unzähligen Menschen erlebt wird, ist beeindruckend. Die Arbeit mit Pflanzen war mir hier sehr wichtig und ich konnte von dem unwahrscheinlich tiefgründigen Pflanzenwissen meiner Mitarbeiter und Vorgesetzten profitieren und dazulernen. In das tägliche Arbeitsgeschehen wurde ich von Anfang an vollkommen integriert, wobei ich körperlich stets gefordert und auch fachlich immer wieder zu Rate gezogen wurde. Zwar bin ich in den ersten vier Wochen auf Grund intensiver Gehölz- und Beetpflege (Heckenschnitt und Beetpflanzungen) abends „tot“ ins Bett gefallen, doch das Gefühl stets herzlich willkommen zu sein und wenn es nur das freundliche „How is it going?“ von der Kassiererin war, machte es wieder wett. Mir wurde später die Aufgabe übertragen, einen bestimmten Bereich im Botanischen Garten neu- bzw. umzugestalten. Es galt dabei nur den Kurator des Gartens von meinen Ideen und Überlegungen zu überzeugen, was ich dann auch tat. Mit der Umsetzung war ich ab Mai zusätzlich zu meinem gängigen Alltagsgeschäft beschäftigt. Die zwischenmenschliche Kommunikation, die Zusammenarbeit sowie der fachliche Austausch mit meinen Vorgesetzten und Kollegen war zu jeder Zeit ein absoluter Gewinn und unwahrscheinlicher Erfahrungswert für mich.

Die Erkundung der schottischen Landschaft durfte natürlich nicht fehlen und hierfür nutzte ich jede freie Minute. Bereits Theodor Fontane beschreibt in seiner literarischen Reisebeschreibung „Jenseit des Tweed - Bilder und Briefe aus Schottland“ die Einzigartigkeit der Landschaft. Der Norden besticht durch seine gewaltigen Highlands, die sich oft in einem davor liegenden „Loch“ widerspiegeln, was für mich als gebürtiges Ostseekind einfach atemberaubend war. Auf dem Gipfel Storr, auf der Insel Skye, genoss ich den Blick in die Unendlichkeit. Auf so einer Höhe zu sehen wie das Durchziehen der Wolken am Himmel auf die vor mir liegende Landschaft ein ständiges Wechselspiel von Licht und Schatten erzeugt, raubt einem jegliches Zeitgefühl. Der gleiche Tag wurde dann in den späteren Abendstunden mit viel schottischem Volkstanz nochmals mit Genuss zelebriert.

Der Botanische Garten, die Stadt und das Landschaftsbild sind einfach unvergessliche Eindrücke. Die Unterstützung durch das ERASMUS+ Programm und das Deutschlandstipendium haben maßgeblich zu diesem Praktikum in Schottland beigetragen. Von daher kann ich nur jeden dazu ermutigen derartige Förderprogramme näher zu betrachten und sich auf den Weg zu machen.

 

Holger Rothamel