Küsschen und Spielgeräte für die Kälber

Marit Löhnert, 5. Fachsemester im dualen Studiengang Agrarwirtschaft bei der Bewertung der Kondition nach dem Verfahren des Body Condition Scoring
Wichtiges Hilfsmittel ist dieses "BCS-Schema nach Edmonson (1989), ergänzt nach Raschke (2007)“.
"Spielplatz" für Kälber in der Gruppenbucht

Die Ergebnisse veröffentlichen Professorin Dr. Anke Schuldt und Dr. Regina Dinse regelmäßig auf Tagungen und in der Fachpresse. Mit großem Interesse werden die wertvollen Erkenntnisse zur Optimierung der Kälberhaltung und -aufzucht aber auch von den Studierenden in den Lehrveranstaltungen des Fachgebietes aufgenommen und diskutiert, zumal die Daten teilweise im Rahmen des interdisziplinären Projektseminars des Studiengangs Agrarwirtschaft erhoben wurden.

Vorort-Termin im Betrieb Landboden-Wolde GmbH & Co. Landwirtschafts KG

Für die Wissenschaftlerinnen ist der enge Praxisbezug von besonderer Bedeutung. „Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit 27 landwirtschaftlichen Betrieben in MV und Brandenburg bearbeitet. Von 23 erhalten wir seit 2009 regelmäßig Daten zur Auswertung. Die Studierenden sind in den vergangenen Jahren in die Betriebe gefahren und haben Rinder verschiedenen Alters untersucht. Wir bringen ihnen bei, wie man die Kondition von Jungrindern bonitiert und bewertet. Das ist eine Methode, um die Aufzucht zu kontrollieren. Zum Beispiel prüfen wir, ob die Rationen richtig berechnet wurden, die Fütterung also bedarfsgerecht erfolgt. Außerdem optimieren wir die Kälberhaltung hinsichtlich des Wohlbefindens der Kälber und erarbeiten Indikatoren, um dies beurteilen zu können“, erklärt Professorin Dr. Anke Schuldt, beim Vorort-Termin in Wolde.

Wichtigstes Hilfsmittel für die Bonitur sind laminierte Karten mit dem sogenannten „BCS-Schema nach Edmonson (1989), ergänzt nach Raschke (2007)“. Mit Schutzanzügen bekleidet treten die Studierenden direkt an die Jungtiere heran, die in sogenannten Fressgittern fixiert sind und dadurch ruhiger stehen. Bei der Bonitur wird der Körper der Tiere an neun vorgegebenen Stellen befühlt, zum Beispiel entlang der Wirbelsäule oder an den hinteren Gliedmaßen. Dabei schätzen die Studierenden anhand der Standardwerte auf ihrer Karte die Stärke der Fettschicht und damit die Kondition ein. Den Tieren gefällt diese „Massage“ offensichtlich, sie halten still und lassen die Untersuchung gern geschehen.

Fachgespräche mit der Herdenmanagerin Sandra Dorn, die von 2009 bis 2012 an unserer Hochschule studiert hat, gehören zum Betriebsbesuch dazu. Die Absolventin ist mit Leib und Seele bei ihren ca. 400 Tieren und mit viel Liebe bei den Kälbern. „Jedes Kalb erhält von mir mindestens einmal ein Küsschen“, sagt sie schmunzelnd und gibt Nachhilfe am „Nuckeleimer“ im „Iglu“, dem Ställchen für die jüngsten Kälber.

Von der Kälberhaltung und Fütterung hängt die spätere Milchleistung ab. Deshalb haben die Kälber in der zweiten Phase der Aufzucht viel Platz zum Herumtollen und sogar Spielgeräte in der Gruppenbucht. Kameras zeichnen rund um die Uhr das Verhalten der Jungtiere auf. „Wir wollen wissen, was Kälber wollen, deshalb diese Verhaltensforschung per Kameraaufzeichnung“, erklärt die Landwirtin. Sie ist mit Prof. Dr. Anke Schuldt und Dr. Regina Dinse einer Meinung: „In den ersten sieben Wochen müssen den Kälbern 14 Liter Milchersatz pro Tag angeboten werden. Richtige Ernährung ist die Voraussetzung für ein gesundes Tier mit guter Leistung. So wird von Anfang an für Tierwohl gesorgt.“

Durch die enge Zusammenarbeit zwischen der Hochschule und den Betrieben sind über einen langen Zeitraum wertvolle Daten ausgewertet und wichtige Erkenntnisse wieder an die Praxis zurückgegeben worden.

Informationen zum Betrieb: Der Betrieb in Wolde bewirtschaftet 1.600 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Betriebszweige sind neben der Milch- und Futterproduktion die Masthähnchenproduktion (120.000 Tiere) und eine Biogasanlage mit 950 kW. Die 200 Kühe der Milchviehherde erreichten im Jahr 2019 eine mittlere Milchleistung von ca. 9.450 kg.


Zurück zu allen Meldungen