WAS LERNEN? WIE LERNEN?


Die Bildungspolitik war mit der zunehmenden medialen Durchdringung unserer Gesellschaft aufgefordert, neue Lernziele zu formulieren. Diese sollten sich an den veränderten Anforderungen in der digitalen Welt orientieren und die Lebenswelt der Lernenden ernst nehmen. Sowohl die Kompetenzrahmen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene als auch die aktuelle Ergänzung zur Strategie der Kultusministerkonferenz von 2016 thematisieren die Beziehung zwischen Lernen und der Lebenswelt. Allerdings wird die Qualität dieser Beziehung in den bildungspolitischen Maßnahmen- und Zielkatalogen häufig unter dem Label der Kompetenzorientierung über Bedienungs- und Anwendungsfertigkeiten von Lernenden bestimmt.


Mit diesen sogenannten Futureskills erwerben Lernende angeblich die Voraussetzungen für die Teilhabe am Digitalen. Diese Teilhabe an einer digitalen Welt muss zusätzlich zu der Teilhabe an einer analogen Welt realisiert werden. Eine fragwürdige Dichotomie von Digitalem und Analogem ist dieser Sichtweise eingeschrieben. Dieses Nebeneinander von Digitalem und von Nicht-Digitalem ist in der Lebenswelt von Lernenden nicht zu finden. Mit seinem stetig wachsenden Wissen/Datenumfang und den Erzeugnissen/Entwicklungen einer medialisierten Kultur hat das Digitale die Lebenswelt der Lernenden längst durchdrungen und konstituiert sich in dieser Lebenswelt fortwährend selbst mit immer neuen Wirklichkeiten. Dieses fortwährende Konstituieren wird durch uns Nutzer*innen, also auch von Lernenden, ausgehandelt und mitgestaltet. Diesen Beitrag zu Gestaltung können wir nur dann leisten, wenn wir Zugang zu unserer (auch digitalen) Lebenswelt haben, wenn wir Teil dieser Lebenswelt sind und uns in ihr bewegen und selbst wirksam werden. Dazu nutzen wir heute oft auch digitale Werkzeuge, mit denen wir auch digitale Artefakte erzeugen, die unsere Sicht auf uns und unsere Lebenswelt mitbestimmen. Diese  Sicht auf unser Handeln, ist deshalb so wichtig, weil hier Sinnzuschreibungen und gesellschaftliche Wertzuschreibungen verhandelt werden, die in die Zukunft wirken und sich dort entfalten. Das bedeutet, dass bereits in der aktuellen Teilhabe an unserer Lebenswelt und deren Reflexion, die Qualität der zukünftigen Lebenswelt angelegt ist. 


Will man die Beziehung von Lernenden und Lebenswelt tatsächlich ernst nehmen, gilt es, das Handeln von Lernenden so zu unterstützen, dass eine Partizipation an allen Interaktionsformen, auch den strukturkonstituierenden Handlungen ermöglicht. Hier geraten die Kompetenzen und Skills schnell wieder in den Blick und die Frage "Was sollen wir lernen?" ist schnell gestellt. Doch braucht es vielmehr Handlungsfähigkeit, die das Lernen selbst ermöglichen. Dieses Ermöglichen muss nachhaltig in die Breite unserer Gesellschaft gebracht werden und braucht deshalb bildungspolitische Unterstützung in allen Phasen der Lehrer*innenbildung. Nur dann kann unsere zunehmend digitale Lebenswelt demokratisch gestaltet werden.

Damit ist auch eine Offenheit von Bildung (vgl. Kortegast&Watolla 2020) verbunden, ein Interagieren in Lernsettings, die auf den Werten des Teilens und der Teilhabe basiert. Genau hier knüpft das Team DigiLehrbildung mit seinem didaktischen Konzept im Service Learning Format an. Indem wir Open Education über frei lizensierte Bildungsmaterialien zum Ziel einer kollaborativen Medienproduktion machen, verbinden wir das Wissen und die Erfahrung um das Handlungsfeld des Teilens. In den flankierenden Reflexionssitzungen kann der Lernende seine Lernprozesse feststellen, visualisieren und mit Anderen reflektieren (vgl. Kerres 2018).


Wir nehmen den konkreten und realistischen Bedarf eines Berufsfeldes zum Ausgangspunkt eines Selbstwirksamwerdens der Studierenden. Mit OER heben wir das Potential des Handlungsfeldes Teilen und Teilhabe für den Kompetenzgewinn der Lernenden einerseits und der Demokratisierung der Bildung andererseits. Damit ist auch der Anspruch verbunden, das Lernen weniger stark zu überwachen und zu regulieren. Vielmehr stellen wir die Selbstwirksamkeiterfahrungen in das Zentrum unseres didaktischen Handelns. Vor allem aber leisten die Studierenden einen Beitrag, das Beziehungsgefüge von Bildung mitzugestalten, welches Lernen als ein reflektiertes Verhältnis der Lernenden zu den Dingen, zu den Anderen und zu sich versteht: als ein Sich-ins-Verhältnis-Setzen zur Welt.