„Gewalt erkennen, verstehen und verhindern“ – Wichtige Impulse aus Forschung und Praxis beim 13. Landespräventionstag MV

Preisträger*innen des Landespräventionspreises MV mit Innenstaatssekretär Wolfgang Schmülling und Sozialministerin Stefanie Drese; Foto: Innenministerium MV
Voller Hörsaal mit Teilnehmenden des 13. Landespräventionstages MV; Foto: Innenministerium MV
Referent*innen der Vorträge und Workshops mit Innenstaatssekretär Wolfgang Schmülling (3. Reihe links), Dörte Graner (NDR 1 Radio MV) und Prof. Stefan Schmidt (1. Reihe rechts); Foto: Innenministerium MV

Gewalt in der Pflege hat viele Gesichter: Sie kann offen oder subtil sein, körperlich, psychisch, strukturell oder durch Vernachlässigung wirken; und sie betrifft alle Beteiligten. Pflegebedürftige erleben Gewalt in Form von Übergriffen, Missachtung oder Abwertung. Aber auch Pflegende sind betroffen: durch Überlastung, aggressives Verhalten oder belastende Rahmenbedingungen. Gewalt entsteht oft im Verborgenen, doch sie ist realer Bestandteil vieler Pflegesettings.

Beim 13. Landespräventionstag Mecklenburg-Vorpommern am 2. Juli an der Hochschule Neubrandenburg kamen rund 180 Fachpersonen aus Pflege, Medizin, Justiz, Selbsthilfe und Polizei zusammen, um gemeinsam darüber zu diskutieren, wie Gewalt erkannt, verstanden und wirksam verhindert werden kann.

Die Veranstaltung sendete ein klares Signal: Gewaltprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sie beginnt bei Haltung, braucht Wissen, aber vor allem: tragfähige Strukturen und konkrete Entlastung für Pflegende.

Landespräventionspreis 2025 verliehen – Hochschule Neubrandenburg in Jury vertreten

Ein Höhepunkt des Tages war die feierliche Verleihung des Landespräventionspreises, überreicht durch Innenstaatssekretär Wolfgang Schmülling und Sozialministerin Stefanie Drese. Der mit jeweils 1.000 Euro dotierte Preis ging an drei besonders innovative Projekte:

Pommerscher Diakonieverein e. V. „Gewaltschutz neu denken“

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin RostockDeeskalationstrainings in stationären Kontexten

Landesfachstelle Demenz M‑Vsozialraumorientierter Ansatz zur Gewaltvermeidung im Alter

Die Jury bestand aus Vertreter*innen des Innen- und Sozialministeriums, des Landeskriminalamts, des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa e. V.), des Landesseniorenbeirats, des Landesrats für Kriminalitätsvorbeugung sowie der Hochschule Neubrandenburg. Bewertet wurden unter anderem Innovation, Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit.

Pflege im Fokus: Forschung zu Gewaltursachen und struktureller Entlastung

Mit dem Vortrag „Gewalt erkennen, verstehen und verhindern – Eine Einordnung aus Sicht der Pflegewissenschaft und Pflegepraxis“ rückte Prof. Dr. Stefan Schmidt, Pflegewissenschaftler an der Hochschule Neubrandenburg, strukturelle Gewaltursachen in den Mittelpunkt: Überforderung, Zeitdruck, unklare Abläufe – all das begünstige das Entstehen von Grenzverletzungen oder Vernachlässigung, häufig unabsichtlich.

Ein zentrales Praxisbeispiel: das Forschungsprojekt EASY – Digitale Assistenzsysteme, das Prof. Schmidt mit seinem Team wissenschaftlich durchgeführt hat. Die von der GKV geförderte Studie belegt: In Einrichtungen mit EASY-Unterstützung sinken Sturzraten, Materialverbrauch und Zeitaufwand, die Pflege wird spürbar entlastet. „Unsere Ergebnisse zeigen: Gewaltprävention beginnt bei Struktur. Wenn digitale Systeme Routinen unterstützen, gewinnen Pflegende Raum für Beziehungsarbeit und genau dort entsteht Menschlichkeit“, so Prof. Schmidt.

Kriminalitätsprävention trifft Pflege: das Dunkelfeld sichtbar machen

Im Anschluss thematisierte Prof. Dr. Thomas Görgen von der Deutschen Hochschule der Polizei Münster das oft unterschätzte Dunkelfeld pflegebezogener Gewalt. In seinem Vortrag „Gewalt in der Pflege und ihr Dunkelfeld – Handlungsansätze für die Polizei und darüber hinaus“ verwies er auf fehlende Meldewege, geringe Strafanzeigen und eine noch zu geringe gesellschaftliche Sensibilität. Sein Appell: mehr interprofessionelle Kooperation, polizeiliche Fortbildung und offene Gesprächskulturen auch jenseits juristischer Schwellen.

Fachworkshops: Acht Räume für vertieften Austausch

Abgerundet wurde der Fachtag durch acht thematisch spezialisierte Workshops, in denen die Teilnehmenden gezielt an Präventionsansätzen und praktischen Lösungen arbeiteten. In interdisziplinär besetzten Gruppen wurden Handlungsmöglichkeiten aus Sicht der Pflege, Sozialen Arbeit, Justiz, Polizei und Zivilgesellschaft diskutiert, Fallbeispiele reflektiert und konkrete Impulse zur Stärkung von Schutzstrukturen entwickelt.

Die Hochschule Neubrandenburg war nicht nur mit fachlichem Input vertreten, sondern steht – auch mit dem Projekt EASY – exemplarisch für die Verbindung von praxisnaher Forschung, interdisziplinärem Wissenstransfer und engagierter Lehre im Dienst einer gewaltfreien Pflege.

Weitere Informationen zur Veranstaltung:
https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/im/Aktuell/?id=212201&processor=processor.sa.pressemitteilung 

Kontakt
Prof. Dr. Stefan Schmidt, E-Mail: sschmidths-nbde 


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