Das soziale Miteinander in Zeiten einer beschleunigten Gesellschaft – Warum Hunde uns bremsen

Gesellschaft und Hunde – Ein Thema, das vielleicht viel zu wenig Beachtung findet. Zum einen zeigen Studien, dass Menschen heute mehr dazu neigen, sich einen Hund zu holen, als Kinder zu bekommen. Zum anderen vereinsamen Menschen zunehmend. Der Hund scheint eine Stellung innerhalb der Gesellschaft einzunehmen, die möglicherweise sogar besorgniserregend sein könnte. In verschiedenen Feldern des sozialen Miteinanders spielen Hunde eine große Rolle; als Therapiehunde, als Assistenzhunde, im pädagogischen Bereich oder einfach als Bindeglied zwischen Menschen im Privatleben. Hundeschulen werden zu Treffpunkten von Menschen, die das selbe Interesse an den "Fellnasen" teilen. Die Anzahl der Hundetrainer/innen nimmt rasant zu; so auch der Streit um den 'richtigen' Umgang mit Hunden. Diese menschliche Welt unterscheidet sich häufig stark vom hündischen Miteinander.

Die Menschenwelt, die sich mittlerweile jährlich ein Stück weit beschleunigt, beschreibt der Soziologe Hartmut Rosa im gleichnamigen Buch Beschleunigung – Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne. Der beschleunigte Mensch ist heute ein Individuum, welches kaum zur Ruhe kommt und immer kurz vor dem Abgrund steht; und welches alles dafür tut, um nicht zu stürzten. Es muss in Bewegung bleiben, sonst kommt es nicht mehr hinterher. Die Lücken, die in seinem Alltag entstehen und ihm als Freizeit dienen sollten, wurden mit Dingen besetzt, die immer mehr zur Beschleunigung beigetragen haben. Wird heute Zeit frei, wissen wir sie kaum noch zu nutzen. Angetrieben und nicht zur Ruhe kommend lenken wir uns von der eigenen Unruhe ab, indem wir uns immer weiter beschäftigen. Was käme da gelegener als ein Hund, den man vor der Arbeit noch einmal Gassi führen muss und mit dem man, sobald man wieder zu Hause ist, die nächste Runde absolviert. Im besten Fall gestaltet die Anwesenheit eines Hundes das Wochenende oder den Alltag des Menschen und verleiht der frei gewordenen Zeit einen Sinn – Und zwar den des Hundehalter-Seins, im Rahmen dessen mit dem Hund trainiert werden muss. Was häufig als romantische Beziehung erwartet wird, endet (zu) oft beim/bei der Hundetrainer/in oder schlimmer: im Tierheim.

Denn wo Mensch und Hund aufeinandertreffen, stimmt häufig etwas nicht. Hartmut Rosa, ohne dass er dies selbst vorgesehen hätte, hat dafür einen treffenden Begriff geprägt. Es fehlt den Menschen an Resonanz; an etwas, das tief in ihnen wirkt, sie verändert und vielleicht für einen kurzen Moment zum Anhalten bewegt.

Wer sich mit Hunden auskennt, oder besser gesagt, sie beobachtet, wird wissen, dass das, was den Menschen fehlt, unter Hunden zur normalen Kommunikation gehört. Ohne gegenseitige Resonanz könnten Hunde gar nicht miteinander umgehen. Doch in der (beschleunigten) Welt der Menschen wird zwar sehr viel über Hunde nachGEDACHT, aber ihnen ZUHÖREN können nur die wenigsten. Zwischen Beschäftigung und Auslastung findet eine Beziehung zwischen Mensch und Hund statt, die schon längst den Hund an sich ignoriert. Diese Beziehung resultiert aus der Menschenwelt, in der Bildung, Erziehung und das Miteinander viel zu schnell geworden sind. Tatsächlich miteinander Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen, ist in dieser Beziehung nicht (mehr) zentral.

In meinem Vortrag möchte ich die Frage klären, ob Hunde einen wichtigen Teil zu unserer Gesellschaft beitragen, ohne dass wir es tatsächlich wissen (oder wahrnehmen). Vor allem aber möchte ich der Frage nachgehen, was, falls dem so sei, wir von ihnen lernen können.

Quellen:

Rosa, Hartmut (2005): Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

 

Stephan Peukert (*1989 in Naumburg/Saale)

hat bis 2018 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Soziologie (BA) studiert. Bereits während seines Studiums befasste er sich mit der Beziehung zwischen Hund und Mensch. Seit 2019 ist er als Berater für Hund-Mensch-Beziehungen tätig und entwickelte in diesem Zusammenhang

DIE KUNST DES ZU|HÖR|ENS. Im Rahmen seiner Beratungen möchte er Menschen eine neue Perspektive auf ihren Hund aber auch und insbesondere auf sich selbst geben. Dabei ist ihm wichtig, das Konzept von Hundetraining oder das Coachen von Menschen stets kritisch zu betrachten.

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