Veränderung eines Siedlungsgrundrisses am Beispiel von Klein Vielen

Abb. 1 Klein Vielen 1757 auf der Direktorialvermessungskarte.
Abb. 2 Klein Vielen 1884 auf dem Messtischblatt.
Abb. 3 Lageplan der Gebäude Klein Vielens aus den 1930er Jahren.
Abb. 4 Luftbild von Klein Vielen aus dem Jahr 1953.
Abb. 5 Klein Vielen im Jahr 2021.

 

Vom Angerdorf zum Guts-Angerdorf

Der Ort Klein Vielen wurde im Jahr 1170 als „Vilim Carstici“ erstmals urkundlich erwähnt. Der Name ist slawischen Ursprungs und leitet sich von „Vyla“ (Göttin der Unterwelt) ab. Im Jahr 1272 wurden die von Peccatels durch Fürst Nicolaus von Werle Lehnsherren von Klein Vielen und prägten den Ort bis 1661.

Der ursprüngliche Siedlungsgrundriss Klein Vielens entsprach wahrscheinlich dem eines Angerdorfes. Auf dem zentralen Platz, dem sogenannten Anger, stand vermutlich die Dorfkirche, die jedoch im 30-jährigen Krieg zerstört und nicht wieder errichtet wurde. Seitdem hat Klein Vielen keine Kirche und keinen Friedhof mehr. Im 15. Jahrhundert wurde in Klein Vielen ein Guts- bzw. Herrenhaus errichtet, das von massiver Statur und mit Ziegeln gedeckt war.

Das Gut wurde nach dem 30-jährigen Krieg von vielen wechselnden Besitzern bewirtschaftet. 1715 geriet es in die Hände der Familie von Haake. Details zur Grundeigentumsgeschichte des Ortes finden sich hier. Der letzte von Haake prägte seine Güter durch die Errichtung einer Vielzahl von Gebäuden. Allein in Klein Vielen wurden 21 neue Gebäude, darunter Ställe, Scheunen, eine Windmühle, eine Schmiede, Einlieger-Häuser oder das Müllerhaus errichtet. Details zu den einzelnen Gebäuden finden sich in Behrens 2020.

Der Grundriss des Ortes entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer Mischform aus Angerdorf und Gutsdorf. Auf der Karte von 1757 ist der Anger als weitläufige Freifläche inmitten des Dorfes erkennbar. Das Gutshaus und der dazugehörige Gutshof befinden sich am östlichen Ende des Angers. Weiterhin erkennbar ist ein streng geometrisch angelegter kleiner Barockpark hinter dem Gutshaus und ein Areal mit Bäumen östlich vom Gutspark.

 

Vom Guts-Angerdorf zum Straßendorf

1815 erwarb der Prokurator Rudolph Jahn aus Brandenburg das Gut Klein Vielen. Der Ort durchlief folgend viele Veränderungen, da die Familie Jahn entlang der Dorfstraße und in den Anger hinein einige neue Gebäude, wie eine Stellmacherei errichten ließ. Der Anger begann sich aufzulösen und das Dorf entwickelte sich zu einem Straßendorf. Reste des Angers sind im Südwesten des Dorfes auf dem Messtischblatt noch zu erkennen (siehe Abbildung 2).

Im Jahr 1880 verkaufte Jahn das Gut an den Freiherrn Carl Johann von Kap-herr, da keiner seiner Söhne die Gutswirtschaft fortführen wollte. Die von Kap-herrs ließen das Gut durch Pächter bewirtschaften. Der Hauptproduktionszweig des Gutes war der Getreide- und Hackfruchtanbau. Etwa 1931 entschied sich die Erbengemeinschaft Kap-herr zum Verkauf des Gutes, der 1937 mit dem Verkauf an Herbert Bennecke vollzogen wurde. In Vorbereitung des Verkaufs wurde eine Karte des Dorfes erstellt, auf der sich Klein Vielen als Straßendorf präsentiert (siehe Abbildung 3). Eine genaue Beschreibung der vorhandenen Gebäude und ein Inventarverzeichnis zur technischen Ausstattung des Gutes finden sich in Behrens 2020.

Die Gutsgeschichte Klein Vielens endete 1945 mit der Enteignung von Herbert Bennecke im Rahmen der Bodenreform. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg präsentierte sich das Dorf weiterhin wie auf dem Lageplan dargestellt. Der Krieg hatte kaum materielle Schäden verursacht. Das Gutshaus allerdings ging 1946 durch einen Schornsteinbrand in Flammen auf und wurde nicht wiederaufgebaut.

Durch Bodenreform und die Siedlung von Neubauern veränderte sich das Bild Klein Vielens. Auf einem Luftbild von 1953 erkennt man bereits eine rege Bautätigkeit. Gebäude waren sowohl entlang der Straße Richtung Liepen hinter dem Abzweig Hartwigsdorf als auch im nördlichen Teil des Gutsparks und entlang der Straße nach Peckatel entstanden. Auch der Gutshof und der Grundriss des abgebrannten Gutshauses sind noch erkennbar.

Die Entwicklungen in der Landwirtschaft führten in Klein Vielen bis zur "Wende" zu weiterer Bautätigkeit. Auf dem Platz des ehemaligen Gutshauses wurde in den 1960er Jahren ein mehrgeschossiges Wohnhaus errichtet. Entlang der Straße nach Peckatel bzw. Groß Vielen entstand ein großer Komplex mit landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden und an der Straße Richtung Peckatel entstanden weitere Wohngebäude. 

 

Klein Vielen heute

Heute präsentiert sich Klein Vielen als Straßendorf. Nichts deutet mehr auf den ursprünglich prägenden Anger hin. Nach 1990 zogen eine Reihe von Menschen in die Dörfer der Gemeinde Klein Vielen. In Klein Vielen selbst wurden vereinzelt neue Eigenheime errichtet oder alte übernommen und renoviert. Von den Gutshofgebäuden sind der ehemalige Schafstall sowie der Kutsch- und Fohlenstall, die alte Stellmacherei und das ehemalige Pächterhaus weitgehend erhalten.  Ein großer Teil des Gutsparks, die Allee zum Klingenberg und der Klingenberg mit der „Jahn-Kapelle“ gehören heute der Gemeinde, die sich um die Restaurierung bemüht.

 

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Quellen

Abbildung 1: Ausschnitt aus: Charte Klein Vielen Alte Huette 1757, LHA Schwerin-2017-100-001.

Abbildung 2: Studienarchiv Umweltgeschichte an der Hochschule Neubrandenburg, Planarchiv. Topografische Karte 1:25.000, Nr. 2544 (aktualisiertes Messtischblatt 1884). Kartenausschnitt Ortslage Klein Vielen.

Abbildung 3: LHA Schwerin, Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten - Siedlungsamt - (Spezialakten), Nr. 2998.

Abbildung 4: GeoBasis-DE/M-V 2016. Ausschnitt aus dem Luftbild 53_00_07688_N_33/87.

Abbildung 5: Google Maps 17.06.2021.

Behrens, H. 2020: 850 Jahre Klein Vielen – ein historischer Abriss. In: Klein Vielen e.V. – Leben zwischen Lieps und Havelquelle (Hrsg.). Dorfzeitung. Zwischen Lieps und Havelquelle. Nr. 11 (2020). Steffen Media. Friedland. S. 3-34. Link zur Ausgabe. Letzter Zugriff: 04.03.2021.

Berndt, T., Stangenberg, P. 2019: Ausstellung "Eine Reise durch die Siedlungsgeschichte". Entstanden im Rahmen des Projektes: "Historische Kulturlandschaftselemente als Zeugnisse des Landschaftswandels" an der Hochschule Neubrandenburg. Link zur Ausstellung

Klein Vielen e.V. – Leben zwischen Lieps und Havelquelle (Hrsg.). Klein Vielen. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 04.03.2021.