Erinnerungen zur Arbeit des Instituts für Landschaftsforschung und Naturschutz

Im Rückblick auf die Forschung des ILN kann man sagen, dass bis 1968, als die wirtschaftliche Rechnungsführung eingeführt wurde, die inhaltlichen Schwerpunkte eher selbst gestellt waren. Da machte jeder irgendetwas. Die machten ihre Qualifikationen, Promotionen und so weiter und jeder suchte sich eigentlich, was er so forschen wollte und schrieb dann am Jahresende einen kleinen Bericht, was er wohl geforscht hat. Das war völlig geprägt von den Leuten, die da jeweils das Sagen hatten. Und so ist die Forschung dann natürlich ganz unterschiedlich gelaufen. [...] 

Mit der Einführung der wirtschaftlichen Rechnungsführung kam dann ein völliger Bruch zustande. Die Institute mussten ihre Mittel selbst erarbeiten. Sie wurden wie ein Industriebetrieb behandelt. Man musste einen Plan aufstellen, was man in den nächsten fünf Jahren forschen will. Den Plan musste man verteidigen. Dann bekam man dafür das Geld vorgeschossen und musste mit der Abrechnung der Forschungsleistung nachweisen, dass man das Geld, das man vorher bekommen hat, auch tatsächlich verdient hat. Es ist nie der Fall eingetreten, dass man etwas zurückgeben musste. Das will ich mal dazu sagen. Aber damit war man völlig in die leitende Planung der Volkswirtschaft eingebunden. Das baute sich natürlich erst langsam auf, aber man war in den Fünfjahresplänen drin, musste in diesen Planzeiträumen seine Forschungsthemen formulieren und abrechnen. Die Akademie verlangte zunehmend auch, dass im ILN Themen bearbeitet werden, die jetzt – vorsichtig ausgedrückt – der Akademie nahe standen. Natürlich gab es in gleicher Weise die Naturschutzforschung. Die wurde nicht in Frage gestellt. Sie sollte aber ihre Ergebnisse möglichst in den Intensivierungsprozess der Landwirtschaft einbringen. Es gab auch Grundlagenforschung, Gerhard Stöcker zum Beispiel mit seiner Bioindikation. Aber der Charakter der Forschung änderte sich damals vollkommen. [...]

Ich muss aber auch sagen, dass insbesondere mit diesem Dienstleistungssektor, den wir hatten, immer noch große Freiheiten da waren. Den wollte die Akademie immer weg haben. Der war ein Dorn im Auge. Das war keine Forschung. Die Naturschutzforschung wollten die nicht weg haben, aber diese Beratungstätigkeit. Dieser Schritt wäre erst vollständig mit dem Zentralinstitut hier in Dessau vollzogen worden. Dann wären die regionalen Zweigstellen wahrscheinlich stark geschrumpft. Man hätte alles in Dessau gebündelt und Forschung gemacht. Es war ja ein Forschungsinstitut, das muss man dazu sagen. Das war so ein komischer Hybrid. Das gab es ja woanders nicht, diese Mischung aus Forschung und Beratung und noch Kulturbund und Ehrenamt. Es wurde außerordentlich hoch geschätzt, von den Ehrenamtlichen und auch von den staatlichen Organen, die wollten das ILN in dieser Form. Auch die Mitarbeiter im ILN wollten das so machen, die waren ja Naturschützer. Die Akademie hingegen wollte Forschung daraus machen und das war im ILN gar nicht so einfach durchzusetzen. [...]

Das ILN hatte seine größten Erfolge sicher naturschutzbezogen, im engeren Sinne. So ist es uns gelungen, ein Schutzgebietssystem aufzubauen, das von einer zentralen Idee getragen wurde – übrigens ganz im Unterschied zur Bundesrepublik, wo das Schutzgebietssystem mehr zufällig entstanden ist. In der DDR war das ein Ergebnis systematischer Forschung. Der Naturschutz musste sich auf die Gefährdung ausrichten, nicht auf die Dokumentation. Das war unser Ziel damals. Auf diese Gefährdung richtete sich im ILN bis zu einem gewissen Grade der Artenschutz aus, wo es ja auch echte Erfolge gab – na ja, manchmal mit äußeren Umständen wie beim Biber. Wenn die Verfolgung aufhört und man ein intensives Betreuernetz hat, steigt die Art eben an. Bei anderen Arten war das schwieriger. Es hat dem Seeadler zum Beispiel große Vorteile gebracht, dass die Quecksilberbeize letztendlich doch verhindert wurde. Da hat das ILN durchaus mitgewirkt, wie auch bei der DDT-Problematik, Wanderfalke und so weiter. Da war zumindest Mitwirkung da, so dass für diese „Leuchtturmarten“ auch Erfolge erzielt worden sind. Die waren aber nicht in der Breite erzielt worden, das muss man dazu sagen. Auch in der Landschaftspflege hatte das ILN Erfolge. So wurde zum Beispiel versucht, den Flurholzanbau zu integrieren. Oder in speziellen Bereichen wie hier in Dessau-Wörlitz initiierte man eben die Pflege historischer Kulturlandschaften. Es gab Erfolge im naturnahen Gewässerausbau, wo die TGL entstanden sind. Es gibt eine Reihe von Dingen. Man konnte natürlich nicht immer sagen, dass diese allein auf das ILN zurückgingen. Es gab aber viel Mitwirkung des ILN. In den 1980er Jahren war von der Wissenschaftsseite her die Problematik Genressourcen, biologische Vielfalt ganz wesentlich. Die in der DDR von Siegfried Schlosser entwickelte Genressourcenliste, Schlosser-Liste genannt, ist ja nicht umsonst von der Bundesrepublik übernommen und weiterentwickelt worden, allerdings im Bereich Landwirtschaft, nicht im Bereich Naturschutz. Also ich denke schon, dass es eine Reihe von Erfolgen gab.

Aber es gab natürlich in gleicher Weise auch Bereiche, wo man gar nichts erreichte, wo man einfach abblitzte, wo man versuchte, mit Eingaben irgendetwas zu machen oder mit den Leuten redete. Es gab Bereiche, wo zentrale Forderungen überzogen umgesetzt wurden und wo in einer Breite bereitwillig solche Dinge umgesetzt wurden. Es gab sicherlich viele Leitungs- und Führungskader, die aus einer Ideologie und Überzeugung heraus handelten und die es als ihre Pflicht angesehen haben, Dinge umzusetzen, die sie nicht für richtig hielten. Hinzu kommt noch, dass es vorauseilenden Gehorsam gab. Gerade im Bereich Landwirtschaft, aber auch in der Forstwirtschaft gab es das. Ich weiß aber nicht, ob sich das so ganz furchtbar vom heutigen Stand unterscheidet. Es gibt auch heute zum Beispiel in der Forstwirtschaft Strukturbildungen, wo ein Landesforstbetrieb auf reine Produktion getrimmt wird und der das auch voll durchzieht. Die sind dann auch davon überzeugt, dass jetzt die Aufgabe, Geld zu verdienen, richtig ist. Ich will das nicht direkt vergleichen. Aber auch heute werden Aufgaben definiert und die Leute übernehmen diese und setzen sie durch. In der DDR war dieses Durchsetzen per Ukas sicherlich sehr prägend. Das gilt vor allen Dingen für diese Zweierlinie staatliche Leitung und Parteileitung, die ja so ausgeprägt war, dass man da das blödeste Zeug, wenn es einmal vorgedacht oder vorgegeben war, mit einer Rücksichtslosigkeit umsetzte, die eigentlich selbstzerstörerisch war. Das muss man so sagen.

Dr. Lutz Reichhoff