Erinnerungen zur Melioration

Oft waren es aber für mich erschütternde Vorhaben, so z.B. die Komplexmelioration der Randow-Welse-Niederung im damaligen Kreis Angermünde, die ich als Standorterkunder 1972 vorzubereiten hatte, wissend dass ich der Letzte war, der hier noch die brütenden Brachvögel, Bekassinen und Wiesenweihen, die Trollblumen und Orchideen erlebt.

Nach mir kamen die großen Bagger, die neue tiefe Vorfluter gruben, dann die Traktoren zum Totalumbruch und dann wurde industriemäßige Landwirtschaft praktiziert. Mir war klar, dass das Ökosystem Moorboden so etwas nur eine begrenzte Zeit aushält. Genosse M., seinerzeit Chef der Aufbauleitung Melioration bei der Bezirksleitung der Partei sagte zu mir, nach dem Anhören meiner Bedenken: „Sie haben ja im Prinzip Recht. Wenn wir jetzt das ganze Randow-Welse-Moor komplexmeliorieren, geht das vielleicht 15 bis 20 Jahre gut, dann wird sich das Moor rächen und es kommen die Probleme. Ich will nicht anzweifeln, dass Sie Recht haben. Aber in 15 Jahren haben wir den Kapitalismus ein- und überholt. Das muss uns die Weltrevolution wert sein, dass wir jetzt diese Melioration durchführen, obgleich wir wissen, dass der Standort nicht geeignet ist. Aber danach machen wir es besser. Also Herr Succow, das Meliorationskombinat Frankfurt/Oder hat in diesem Jahr 1971 den sozialistischen Wettbewerb der Meliorationskombinate der DDR an zu führen. Die Partei hat uns das Vertrauen gegeben und wir müssen natürlich Sieger des Wettbewerbs werden. Für die Komplexmelioration Randow-Welse sind 60 Millionen Mark der DDR eingeplant. Die Bauernbank hat das Geld bereitgestellt, die Partei hat uns die modernsten Maschinen, die neuen Bagger zur Verfügung gestellt. Sie können Ihre Probleme erläutern, aber es geht nicht anders.“ Und dann hat sich eine Kolonne von ca. 20 Fahrzeugen (meist Wolga) in Bewegung gesetzt, die Landschaft durchfahren, ich durfte vorstellen, was ich an Sorgen habe, wie dünn die Torfdecken sind, dass darunter der Wiesenkalk kommt, dass dann der Talsand ansteht, bei intensiver Moornutzung rasante Prozesse der Moordegradierung ablaufen. Und ich wurde auch ernst genommen, aber es galt den Beschluss der Partei umzusetzen und ich musste das akzeptieren, auch galt es ja die ca. 2000 Mitarbeiter des VEB Meliorationskombinats voll zu beschäftigen. Die „Milchader“ Berlin, - Hauptstadt der DDR - muss versorgt werden und so weiter… Einzelne Meliorationsingenieure kamen zu mir: „Michael, Du hast ja sicher recht, die vielen Gräben, die Verlagerung des alten Flußbettes, das ist doch alles ein Unfug, aber wir haben zu gehorchen." Es hatte ein erstes Umdenken begonnen, aber der Befehl der Partei stand darüber.

 

Prof. Dr. Michael Succow