Konzentration und Zentralisation in der DDR

Um die Entwicklung der Betriebsstrukturen im Projektgebiet zwischen 1945 und heute nachvollziehen zu können, soll zuerst ein kurzer Blick auf die politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR geworfen werden:

Abb. 1 Neubauern bei der Arbeit im Jahr 1949.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in der Sowjetischen Besatzungszone die Bodenreform erlassen, nach der - neben Personen, die im Dritten Reich relevante Positionen besetzten – vor allem Eigentümer von über 100 ha Grundbesitz enteignet wurden (Krenz 1996: 19). Das Gebiet des heutigen Nordbrandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns war hiervon besonders betroffen, da die über Jahrhunderte existierende Gutsherrschaft bis ins 20. Jhd. hinein eine vergleichsweise grobkörnige Eigentumsstruktur hinterlassen hatte. Die enteigneten Flächen wurden im Zuge der Bodenreform anschließend in viele kleine Einzelgrundstücke unterteilt, auf denen sich Neubauern – von ihnen viele Vertriebene und Geflüchtete aus den ehemals östlichen Reichsteilen – niederlassen sollten. Die Neubauernstellen waren durchschnittlich kleiner als 10 ha (ebd.: 19 f.). Die Bodenreform veränderte somit in radikaler Weise die Struktur der Landschaft. Lesen Sie hier mehr zu den Hintergründen der Bodenreform und Neubauernstellen am Beispiel von Hohenzieritz. Nicht alle Neubauernstellen waren jedoch für eine bäuerliche Bewirtschaftung geeignet. Zudem fehlte einigen Neubauern die Erfahrung der selbstständigen Bewirtschaftung, oder sie verließen die Sowjetische Besatzungszone bzw. DDR in Richtung Westen. So kam es, dass bis 1960 viele Neubauernstellen aufgegeben wurde. Aus diesen verlassenen Grundstücken bildeten sich bald nach Gründung der DDR Örtliche Landwirtschaftsbetriebe (ÖLB; Krenz 1996: 38). Diese stellten jedoch nur eine Übergangsform auf dem Weg zur Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) dar, deren Aufbau und flächenmäßige Verbreitung bei der Zweiten Parteikonferenz der SED im Juli 1952 beschlossen wurde (ebd.: 36). Viele ÖLB wurden später auch in Volkseigene Güter (VEG) umgewandelt (ebd.: 38). Die Dynamik der Kollektivierung verstärkte sich in den 1950er Jahren. Wurden 1950 nur 5,7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der DDR von den sogenannten „sozialistischen Betrieben“ bewirtschaftet, wuchs dieser Anteil bis Mitte der 1950er Jahre auf 27,3 %, um bis 1960 einen drastischen Sprung auf 92,5 % zu machen (SZS 1990: 23).

Abb. 2 Der Anteil der durch sozialistische Betriebe bewirtschafteten Fläche an der landwirtschaftlichen Nutzfläche der DDR.

Gerhard Krenz berichtet über den zögerlichen Prozess des Zusammenschlusses der Einzelbauern zu einem der drei LPG-Typen im Bezirk Neubrandenburg: So seien 1952 gerade einmal 2 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche durch LPG bewirtschaftet worden, 1955 immerhin schon 22 % (Krenz 1996: 38). Der Anteil wuchs zwar bis 1959 weiter auf 48,4 % (ebd.: 49), was jedoch wiederum bedeutete, dass zu diesem Zeitpunkt noch über die Hälfte der Nutzfläche des Bezirks einzelbäuerlich bewirtschaftet wurde (ebd.: 75). Die Tatsache, dass entsprechend der politischen Forderungen der Bezirk Neubrandenburg nur ein Jahr später am 12.03.1960 die vollständige landwirtschaftliche Produktion in genossenschaftlicher Hand verkündete, verdeutlicht die ungeheuerliche Anstrengung in der Erreichung dieses Ziels. Wesentlicher Teil dieser Anstrengung war ein hoher politischer und ökonomischer Druck auf die verbliebenen Einzelbauern, die sich zunehmend mit der Entscheidung zwischen dem LPG-Eintritt und der Auswanderung in die BRD konfrontiert sahen (ebd.: 73).

Nach Abschluss der Kollektivierung stand ab dem Sechsten Parteitag der SED im Jahr 1963 die „industriegemäße Produktion“ in der Landwirtschaft im Fokus. Weitere Schlagworte für die kommende Entwicklung bildeten die betriebliche Spezialisierung sowie die zwischenbetriebliche Kooperation (Krenz 1996: 90 f.). In der Folge kam es zu einer forcierten Trennung der Tier- und Pflanzenproduktion: Auf politischen Anreiz hin bildeten sich Kooperative Abteilungen Pflanzenproduktion (KAP) bestehend aus mehreren LPG bzw. VEG. Nach dem anfänglichen Versuch eines Erhalts der Eigenständigkeit der einzelnen Betriebe, entwickelten diese sich im Laufe der Zeit zu faktisch zusammengelegten und somit noch größeren Betrieben (ebd.: 141). Im Bezirk Neubrandenburg bestanden 1973 103 KAP (ebd.: 105). Die rechtliche Grundlage zur Trennung von LPG in Betriebe der Pflanzen- (P) und der Tierproduktion (T) wurde im Jahr 1977 geschaffen (ebd.: 147). Diese Entwicklungen führten bis in die 1980er Jahre zu einer Vergrößerung der pro Betrieb bewirtschafteten Fläche sowie einer Abnahme der Betriebsanzahl. Auch viele der noch bestehenden VEG gingen in LPG (P) auf. Treibender Faktor dieser Größensteigerung waren die LPG (P), die besonders von der Schlagvergrößerung und der Mechanisierung profitierten. 1975 existierten im Bezirk sechs LPG (P), die eine enorme durchschnittliche Fläche von 6.113 ha bewirtschafteten (SZS 1976: 176). Diese Zahl ging im Zuge einer steigenden Anzahl von LPG (P) – sowie womöglich auch politischen Maßnahmen zur Begrenzung der Schlag- und betrieblichen Flächengrößen (Krenz 1996: 168) – bis 1989 auf unter 5.000 ha zurück (SZS 1990: 211-212).

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Quellen

Abbildung 1: Bundesarchiv (Hrsg.): Neubauern bei Feldarbeiten in Groß Ottersleben 1949. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 28.02.2022.

Abbildung 2: Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (Hrsg.) 1990: Statistisches Jahrbuch ’90 der Deutschen Demokratischen Republik. Rudolf Haufe Verlag: 36.

Krenz, Gerhard, 1996: Notizen zur Landwirtschaftsentwicklung in den Jahren 1945-1990. Schwerin.

Lange, Eberhard, 2002: Landwirtschaft im 20. Jahrhundert. In: Gemeinde Hohenzieritz (Hrsg.): Die Geschichte von Hohenzieritz, Prillwitz und Zippelow, S. 18-31.

[SZS 1976] Staatliche Zentralverwaltung für Statistik der DDR (Hrsg.) 1976: Statistisches Jahrbuch 1976 der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin: Staatsverlag der DDR.

[SZS 1990] Staatliche Zentralverwaltung für Statistik der DDR (Hrsg.) 1990: Statistisches Jahrbuch ’90 der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin: Rudolf Haufe Verlag.