Chausseehäuser

Abb. 1 Historische Darstellung eines Chausseehauses mit Schlagbaum von 1834.
Abb. 2 Chauseegeld-Tarife für eine Meile auf der Chaussee von Neubrandenburg nach Dannenwalde.
Abb. 3 Ausnahmen von der Chauseegeld Erhebung.

Um den Chausseebau im 19. Jahrhundert zu finanzieren wurden an bestimmten Stellen sogenannte Chausseegeld-Hebestellen eingerichten. Für die Chausseegeld-Einnehmer und die Chausseewärter wurden eigene Gebäude, sogenannte Chausseehäuser, gebaut und mit einem Schlagbaum ausgestattet. Anfangs gab es keine spezifisch festgelegte Bauform für die Chausseehäuser, ab 1814 wurde die Ausstattung in der 58 Seiten umfassenden "Anweisung zur Anlegung, Unterhaltung und Instandsetzung der Kunststraßen" grob geregelt:

"Die zur Wohnung für die Wegbeamten und Wärter nötigen Gebäude müssen in der Regel von Steinen oder Ziegeln und in einem, wenn gleich einfachen, doch geschmackvollen Stil erbaut werden. Die Einnehmerhäuser mit den Schlagbäumen müssen auf solchen Stellen angelegt werden, wo der Straßenzoll am wenigsten umfahren werden kann. In dem Einnehmerhaus wird zur größeren Sicherheit der Kasse zugleich wenigstens ein Wegewärter untergebracht. Zur Aufbewahrung der Feuerung und zur Unterbringung des Viehs wird ein besonderes Gebäude gebaut. Zwei Wegewärter erhalten an der Kunststraße jedesmal ein gemeinschaftliches, auf der Grenze ihrer Abteilung liegendes Wohnhaus. [...] Bei jedem Wohnhause ist ein Brunnen notwendig, wenn nicht fließendes Wasser in der Nähe ist." (S.25f, §100-103)

Die Chausseegebäude in Mecklenburg-Strelitz sahen sich allesamt sehr ähnlich und sollen durch den Baurat Friedrich Wilhelm Buttel entworfen worden sein (Krull 2019: 50). Typisch für die Häuser war der sich über beide Etagen erstreckende und bis an die Straße reichende Vorbau. Vom Vorbau aus hatten Einnehmer und Wärter eine gute Sicht auf die Chaussee.

Der Chausseegeld-Einnehmer kassierte nicht nur das Chausseegeld, sondern stellte auch einen Passierschein aus. Ohne diesen Schein riskierte ein Reisender bei einer Kontrolle hohe Geldstrafen. Nach dem Abkassieren der Gebühr hob der Einnehmer einen Schlagbaum an und dem Reisenden wurde die Weiterfahrt ermöglicht (Könneke 2019: 36).

„Er allein durfte den Schlagbaum zur Weiterfahrt öffnen, jedem anderen war dies bei Strafe verboten. Von Reisenden, welche die Quittung an der nächsten Hebestelle nicht vorzeigen konnten, wurde die Abgabe für die zurückgelegte Strecke nochmals erhoben. Die Verfälschung eines solchen Belegs stellte sogar ein Criminal-Verbrechen dar, für das die Gerichte zuständig waren“ (Vahrenkamp 2010: 38).

Der Chausseewärter war für die Unterhaltung der Straße zuständig. Dazu gehörte u.a. die Behebung von kleineren Schäden an der Fahrbahn, Pflege von Hecken und Gehölzen und das Freihalten der Gräben. Größere Schäden wurden an die Verwaltung gemeldet.

Die Tarife zur Benutzung der Chausseen waren nicht überall gleich und unterschieden sich je nach Art des Fuhrwerks oder Grad der Beladung. Abbildung 2 zeigt eine Tariftafel der Chaussee von Neubrandenburg nach Dannenwalde. Eine Kutsche beispielsweise hatte demnach 2 Preußische Schillinge pro Zugtier und ein beladener Frachtwagen 3 Preußische Schillinge pro Zugtier für eine Meile zu zahlen. Da ein solcher Bezahlprozess eine gewisse Zeit in Anspruch nahm, entstanden an viel befahrenen Straßen häufig Staus und es kam zu Verzögerungen. Aus diesem Grund wurden bestimmten Gruppen Ausnahmen von den Frachttarifen gewährt (siehe Abbildung 3). So waren beispielsweise Pferde und Wagen des Großherzoglichen Hauses von der Entrichtung eines Chausseegeldes ausgenommen.

Ab 1888 wurde die Nutzerfinanzierung für die Chausseen in Mecklenburg-Strelitz nach und nach eingestellt. Die Einnehmer und Wärter verloren ihre Arbeitsstellen und meist auch ihr Wohnhaus, was zu großen sozialen Problemen führte. Die Häuser, die sich im Eigentum der Straßenbaubehörden befanden, wurden meist anderen Nutzungen zugeführt. Sie dienten der Straßenbaubehörde z.B. als Bürogebäude, Lagerstätte oder Veranstaltungsstätte, weshalb sie zunächst oft gut instandgehalten wurden.

Später gingen viele Chausseehäuser in private Hände über und wurden wieder zu Wohngebäuden (KÖNNECKE 2019, S. 36). Viele der Chausseehäuser wurden allerdings im Laufe der letzten Jahrzehnte nicht mehr instandgehalten und verfielen von selbst oder wurden bei Straßenverbreiterungen abgerissen.

 

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Quellen

Abbildung 1: Fricke, J. 2015: Historische Darstellung eines Chausseehauses mit Schlagbaum von 1834. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 21.09.2021.

Abbildung 2 & 3: Archiv der Straßenmeisterei Neustrelitz. Frachttarife und Ausnahmen: Inventarium der Chaussee von Neustrelitz nach Penzlin. S.6.

Anweisung zur Anlegung, Unterhaltung und Instandsetzung der Kunststraßen. 1834. Duncker und Humblot. Berlin. Digital abrufbar auf der Seite der Sächsischen Landesbibliothek — Staats- und Universitätsbibliothek Dresden. Letzter Zugriff 22.09.2021.

Fricke, J. 2015: Schinkelsche Chausseehäuser in Brandenburg. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 21.09.2021.

Ißleib, D., Koglin, I., Klein, L. & M. Jähn 2021: Krüge. In: Hochschule Neubrandenburg, Studiengang Naturschutz und Landnutzungsplanung. Projektbericht Historische Kulturlandschaftselemente als Zeugnisse des Landschaftswandels. Neubrandenburg: 56‒60.

Könneke, M. (2019): Der Ausbau unseres Straßennetzes - Wie haben sich die Straßen in Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart weiterentwickelt? Besondere Lernleistung.

Krull, G. (2019): Das Chausseehaus in Brustorf. In: Klein Vielen e.V. – Leben zwischen Lieps und Havelquelle (Hrsg.). Dorfzeitung. Zwischen Lieps und Havelquelle. Nr. 10 (2019). Steffen Media, Friedland. S. 50-53. Link zur Ausgabe. Letzter Zugriff: 21.09.2021.

Krull, Gisela: Als in den Chausseehäusern noch kassiert wurde. In: Strelitzer Zeitung (Nordkurier) vom 24.3.1999.

Vahrenkamp, C.-F. 2010: Mit der Großherzoglichen Post durch Mecklenburg-Strelitz. Ein Beitrag zur Postgeschichte des Landes. Zweiter Teil. In: Carolinum 144: 27-60.