Die Entstehung von Siedlerstellen am Beispiel Hartwigsdorf

Der kleine Ort Hartwigsdorf (ehemals Hartwigshof), der sich in der Nähe einer ehemaligen Glashütte entwickelte, liegt heute in der Gemeinde Klein Vielen. Die Siedlung erhielt ihren Namen um 1800, angelehnt an den damaligen Gutsherren Hartwig von Plessen. Details zur Eigentümergeschichte von Hartwigsdorf finden sich hier.  

Seit 1880 war Freiherr Carl Johann von Kap-herr Gutsherr von Klein Vielen einschließlich Hartwigshof. 1927 wollte dieser das Gut wieder verkaufen, was sich schwierig gestalten sollte. Erste Kaufversuche misslangen. Ende 1931 begannen Verhandlungen mit der Siedlungsgesellschaft „Deutsche Erde“, die 1932 auch scheiterten. Weitere Personen und Landgesellschaften wie die „Genossenschaft e.G.m.b.H. vereinigte Landwirte Mecklenburg“, die auf evangelische Siedler abzielte oder die „Deutsche Pachtgenossenschaft“ zeigten Interesse an dem Gut. Nach einer Besichtigung durch das Ministerium wurde das Objekt als zur Aufsiedlung nicht besonders geeignete eingestuft und auf 475.000 RM geschätzt. Kap-herr war nicht bereit für den genannten Wert zu verkaufen. Weitere Landgesellschaften und Landsiedlungsgesellschaften bewarben sich um den Kauf.

Im März 1934 bot Kap-herr nur das zum Hauptgut gehörende Allodialgut Hartwigshof an, zuerst der Gesellschaft „Deutsche Erde“, anschließend der „Hof und Hufe Allgemeine Landsiedlungsgesellschaft m. b. H.“ mit Sitz in Klein Plasten. Im Juli 1934 wurde mit Letzterer der Kaufvertrag geschlossen. Die Gesellschaft übernahm auch das Vorwerk Friederikenhof, das Teil des benachbarten Lehngutes Zahren war. Der Kaufpreis für Hartwigshof betrug 166.000 RM, für Friederikenshof 63.500 RM. Die Siedlungsgesellschaft machte Werbung für eine Umsiedlung und organisierte Busse, um potenziellen Siedlern eine Möglichkeit zur Besichtigung zu geben. Dabei wurden nicht nur mecklenburgische Landarbeiter und Tagelöhner, sondern auch zweit- und drittgeborenen Bauernsöhne aus den bevölkerungsreichen Gebieten West- und Süddeutschlands angeworben. Diese waren häufig qualifiziert, aber die väterlichen Stellen zu klein, um allen Söhnen eine Existenz zu garantieren. Ausschlaggebend für einen Umzug war häufig das kostengünstige Land und die guten gesetzlich verankerten Rahmenbedingungen (bspw. niedrige Zinsen).

1935 wurde das Siedlungsverfahren eröffnet und die beiden Vorwerke wurden nach Aufteilung an Siedlerfamilien vergeben. Jeweils sechs der Siedlerfamilien kamen aus Mecklenburg und aus Niedersachsen, zwei aus Schleswig-Holstein, eine aus Westfalen und eine aus Bayern. Details zum Verkauf des Gutes Hartwigshof, zur Aufsiedlung und den Siedlerfamilien finden sich in Behrens (2016: 18ff.). Insgesamt entstanden 17 selbstständige Bauernwirtschaften mit variierender Hofgröße. Die überwiegende Zahl der Siedler kaufte zwischen 16,6 und 19,8 ha Land, fünf zwischen 20 und 25 ha und einer mehr als 50 ha. Bei den neu errichteten Gebäuden handelte es sich um Einfirsthäuser aus Backstein mit der typischen Einteilung in Wohnteil, Stall und Scheune. Jeder Hof erhielt einen eigenen Namen, der über dem Hauseingang vermerkt wurde. Die Giebelseiten der Häuser waren durch ein Krüppelwalmdach und eine Fachwerkstruktur im Obergeschoss gekennzeichnet. Ein besonderes Detail war der hölzerne Pferdekopf auf der Stirnseite des Daches.

Zustand der Siedlerhäuser heute

13 der ehemals 17 Siedlerhäuser sind heute noch vorhanden und viele der Gebäude befinden sich in einem guten Erhaltungszustand. Häufig wurden die alten Hofbezeichnungen und der Giebelschmuck, die Pferdeköpfe, bewahrt. Vereinzelt gibt es Überformungen, beispielsweise verputzte und mit Holz verkleidete Fassaden oder eine Scheunenfassade aus Wellasbest. Da die Höfe heute nicht mehr ihrer ursprünglich landwirtschaftlichen Funktion dienen, wurden viele der Scheunen im Laufe der Zeit abgerissen und neue Wohnhäuser errichtet. Ein Neubau wurde bewusst dem Stil der Siedlerhäuser angepasst und fügt sich somit gut in das Dorfild ein.

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Abb. 1 Seitenansicht eines Siedlerhauses. Erkennbar sind Wohn- uns Stallteil des Hauses.
Abb. 2 Der Hofname ist über der Tür vermerkt.
Abb. 3 Die Pferdeköpfe schmücken die Stirnseite des Daches.
Abb. 4 Eine nachträglich mit Holz verkleidete Fassade.

Quellen

Abbildungen 1-4: Privatarchiv Abraham, M.,  Karsten, K., Lange, A., Poleske, L. 2019. 

Abraham, M.,  Karsten, K., Lange, A., Poleske, L. 2019: Ausstellung "Eine Reise durch die Siedlungsgeschichte". Entstanden im Rahmen des Projektes: "Historische Kulturlandschaftselemente als Zeugnisse des Landschaftswandels" an der Hochschule Neubrandenburg. Link zur Ausstellung

Behrens, H. 2016: 80 Jahre Hartwigsdorf (1936-2016). In: Klein Vielen e.V. – Leben zwischen Lieps und Havelquelle (Hrsg.). Dorfzeitung. Zwischen Lieps und Havelquelle. Nr. 7 (2016). Steffen Media. Friedland. S. 18-22. Link zur Ausgabe. Letzter Zugriff 21.5.2021.

Hartl, J. 2020: Reichssiedlungsgesetz 1919. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff 21.5.2021.

Klein Vielen e.V. – Leben zwischen Lieps und Havelquelle (Hrsg.). Hartwigsdorf. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff 21.5.2021.

Schilf, C. 2019: Junge Familien aus dem Rheinland, Westfalen und Franken werden zu Mecklenburgern. Link zur Arbeit. In: Dr. M. Rauchert (Hrsg.). Schriftenreihe der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes M-V. Band 6. Letzter Zugriff 21.5.2021.