Mechanisierung in Mecklenburg

Mit Beginn des 20. Jhd. zählten Mecklenburg und Vorpommern zu den leistungsfähigsten und modernsten landwirtschaftlichen Produktionsgebieten Deutschlands. Einen wichtigen Anteil daran hatten die Großbetriebe - die Region war seit dem ausgehenden 16. Jhd. durch große Gutskomplexe geprägt. Die Größe der Betriebe erlaubte eine moderne Großproduktion, die vor allem für die sich ab 1850 kapitalisierende Landwirtschaft ökonomische und technische Vorteile mit sich brachte (Buchsteiner 2000: 43). Weitere Hintergründe finden sich in den Beiträgen zur Industriellen Revolution. Die beginnende Industrialisierung erforderte eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion und eine Modernisierung der Gutsbetriebe, der besonders bürgerliche Gutsbesitzer in Mecklenburg offen gegenüberstanden: „Sie verkörperten den neuen Typ des Agrarunternehmers, einen erfahrenen, kapitalkräftigen, am Markt orientierten sowie risikobereiten und den produktionstechnischen Fortschritt nutzenden modernen landwirtschaftlichen Großproduzenten.“ (Buchsteiner 2000: 46). Dieser fortschrittlichen Betriebsführung standen adelige Großgrundbesitzer gegenüber, die sich der Konkurrenz stellen mussten und früher als in anderen ostdeutschen Regionen zur Modernisierung ihrer Produktion gezwungen waren.

Abb. 1 Johann Heinrich von Thünen im Jahr 1840.
Abb. 2 Zwei dampfbetriebene Lokomobile ziehen den Pflug über den Acker.

Insbesondere Johann Heinrich von Thünen - Sohn eines Gutsbesitzers, Agrarwissenschaftler und Landwirt - verdankten die mecklenburgischen Gutsbesitzer das betriebswissenschaftliche Wissen, um existenz- und konkurrenzfähig zu bleiben. Zur Verbreitung ihrer Erfahrungen und Neuerungen nutzten die interessierten Gutsbesitzer vor allem den Mecklenburgischen Patriotischen Verein und die von ihm herausgegebenen „Landwirtschaftlichen Annalen“ (Buchsteiner 2000: 46). Zur Wirtschaftsförderung veranstaltete der Verein regelmäßig Fachausstellungen, so auch zu Maschinen und Technik in der Landwirtschaft. Der Landgutbesitzer Ernst Alban stellte beispielsweise im Jahre 1838 seine entwickelten Dreschmaschinen, Häckselmaschinen, Mahlmühlen, Handschrotmühlen und Kornreinigungsmaschinen in Klein Wehnendorf vor (Bartz o. J.). Die regelmäßig durchgeführten Ausstellungen und Präsentationen trugen entscheidend dazu bei, dass Mecklenburg 1882 den höchsten Mechanisierungsgrad in Deutschland besaß. Zu den Tätigkeiten des Patriotische Vereins gehörten auch die Vorstellung und Prüfung anorganischer Düngemittel (Buchsteiner 2000: 46).

Auf den großen Gütern wurden ab 1900 vermehrt mittels Dampfkraft betriebene Pflüge eingesetzt (Kreisagrarmuseum 2022). Dafür wurden auf beiden Seiten des Feldes Dampflokomobile platziert, die über ein 500 m langes Antriebsseil miteinander verbunden waren. Mit diesem Seil verbunden wiederrum war ein drei- bis achtschariger Kipp-Pflug, der so über das Feld gezogen werden konnte. An einer Seite angekommen, wurde der Pflug auf die andere Seite gekippt und eine weitere Furche gezogen. Nach zwei Furchen wurde der Pflug dann weitergerückt (Niemann 2020: 68 ff.). Durch die 200 PS starken Dampflokomobile standen enorme Zugkräfte für die Bodenbearbeitung zur Verfügung, die eine höhere Intensität in den Bereichen Arbeitstiefe, -breite und -geschwindigkeit ermöglichten. Im Vergleich zum Pferdegespann erreichten die Dampflokomobile etwa die 20-fache Pflugleistung (Krombholz et al. 2009: 92). Für die Inbetriebnahme der Technik war jedoch ein drei- bis fünfköpfiger Besatzungstrupp notwendig und pro Hektar zu bearbeitender Fläche wurden etwa 200-300 kg Steinkohle und 500-600 l Wasser benötigt, die mit Pferdefuhrwerken herangeschafft wurden (Krombholz et al. 2009: 92, Niemann 2020: 68 ff.). Für kleine landwirtschaftliche Betriebe war diese Technik anfangs mit zu hohen Kosten verbunden. Es gab allerdings Lohndruschunternehmen, die mit einem Lokomobil und einem Dreschkasten über Land fuhren und die Arbeiten bei Bedarf ausführten (Kreisagrarmuseum 2022).

Ab Anfang des 20. Jhd. wurden in Mecklenburg vermehrt Elektromotoren eingesetzt. Diese konnten allerdings nur dort genutzt werden, wo elektrischer Strom verfügbar war und viele Dörfer wurden erst in den 1920er Jahren elektrifiziert (Kreisagrarmuseum 2022). Die Zahl der eingesetzten Elektromotoren stieg dementsprechend an und 1925 verfügten bereits knapp 6.100 Betriebe in Mecklenburg über rund 9.300 Elektromotoren. Bei den Betrieben handelte es sich überwiegend um großbäuerliche und Gutsbetriebe. So kamen im Jahr 1925 von den Elektromotoren 43,2 % in Betrieben mit einer Größe von 20-50 ha und 49,4 % in Betrieben mit einer Größe von 50-100 ha zum Einsatz. Für Kleinbauern mit Flächen von 2-5 ha war die fortschrittliche Technologie aufgrund der hohen Anschaffungskosten und der zu geringen Auslastung der Maschinen wenig wirtschaftlich (Niemann 2020: 146 ff.).

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Quellen

Abbildung 1: Wikipedia, The Free Encyclopedia (Hrsg.) 2021: Johann Heinrich von Thünen. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 28.03.2022.

Abbildung 2: Sternal Media (Hrsg.) 2009: Landmaschinenfabrik Friedrich Dehne. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 21.03.2022.

Bartz, R.-P. o. J.: Alban, Ernst, Dr. - Pionier des mecklenburgischen Landmaschinenbaus. hrsg. von Agrarkulturerbe. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 28.02.2022.

Buchsteiner, I. 2000: Die Modernisierung der agrarischen Verhältnisse in Mecklenburg und Pommern von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. In: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Industrialisierung in Mecklenburg und Vorpommern. Crivitz Druck Crivitz.

Niemann, M. 2020: Beständiger Wandel. Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Mecklenburg von 1900 bis 2000, Hirnstoff Verlag GmbH, Rostock.

Kreisagrarmuseum Dorf Mecklenburg (Hrsg.) 2022: Motorisierung in der Landwirtschaft. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 28.02.2022.

Krombholz, K. et al. 2009: 100 Jahre Landtechnik. Von Handarbeit zu Hightech in Deutschland, DLGVerlags-GmbH: Frankfurt am Main.