Wanzkaer Papiermühle

Abb. 1 Lageplan der Wanzkaer Papiermühle im Jahr 1823: 1. Wohnhaus, 2. Papiermühle, 3. Papiermühle Neubau, 4. Leimküche und Geschirrkammer, 5. Neues Trockenhaus, 6./7. Wohnhäuser für die Beschäftigten, 8. Stall, 9. Scheune, 10. Schweine-/Futterstall.
Abb. 2 Ansicht der Papiermühle um 1850.
Abb. 3 Der 1835 errichtete Gedenktstein.
Abb. 4 Das letzte erhaltene Gebäude der Wanzkaer Papiermühle wird heute als Stall genutzt.
Abb. 5 Das noch erhaltene ehemalige Forsthaus Zachow.

Der Standort der ehemaligen Wanzkaer Papiermühle ist leicht zu finden. In Usadel am Tollensesee biegt man am nördlichen Ortsende rechts ab und kommt nach etwa einem Kilometer zu einer Brücke über den Nonnenbach. Dann erblickt man zwei Gebäude, die auf dem Gelände der ehemaligen Papiermühle stehen.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts sollte auf dem Mühlengelände ein herzogliches Eisenwerk entstehen. Zum Bau kam es nicht. Von den Plänen zeugt unter anderem ein noch erhaltenes Schreiben aus dem Jahr 1744 an den Herzog Adolf Friedrich II., in dem sich der Hauptmann L. J. von Wallenstein für den Bau eines Eisenhammers erbot. 1747 wurde das Gelände an den Besitzer der benachbarten, weiter südlich am Nonnenbach gelegenen Wanzkaer Mühle, Andreas Christian Holst, verkauft. Holst ließ am Standort eine unterschlächtige Wassermühle zur Papierherstellung errichten. Ca. 1758 gingen beide Mühlen an seinen Sohn über. Vater und Sohn Holst konnten die Papiermühle nie selbst betreiben und verpachteten sie an wechselnde Papiermacher. Pächter waren 1747 Christian Borkenhagen, 1751 ein Düring und 1762 ein Walter, der allerdings noch im selben Jahr verstarb. Walters Witwe heiratete daraufhin den Papiermacher Christoph Modes, der die Mühle 1768 erwarb (Karbe-Wagner-Archiv, Lehmann 2010). 1795 verkauften Modes Erben die Mühle an einen Johann Simon Christoph (Lemelson 2001: 240).

Nachdem die am Nonnenbach gelegene Papiermühle jahrzehntelang keine nennenswerten Umsätze erzielte, stellte der Schutzjude Moses Lemelson aus Strelitz 1802 bei der herzoglichen Kammer den Antrag, die Papiermühle kaufen zu dürfen. Noch im gleichen Jahr erhielt er die Genehmigung und konnte die Mühle trotz religiöser Hürden für einen Kaufpreis von 6.000 Talern erwerben (Lemelson 2002: 241). Unter Lemelson, der in Strelitz auch als Judenältester amtierte, Teilhaber an einer Kompagniehandlung war und zwei Wohnhäuser besaß, erfuhr die Papiermühle innerhalb kürzester Zeit einen wirtschaftlichen Aufschwung und beschäftigt 1803 bereits knapp 50 Mitarbeiter. Die Mühle hatte zwei Bütten, war in gutem Zustand und produzierte Akten- und Briefpapier. Mit dem hochwertigen handgeschöpften Lumpenpapier wurden der Neustrelitzer Hof, die herzogliche Regierung von Mecklenburg-Strelitz, diverse Deutsche Fürstentümer, das benachbarte Mecklenburg-Schwerin und Preußen beliefert. Es ist anhand markanter Wasserzeichen im Papier nachgewiesen, dass in diesem Zeitraum zudem der Mecklenburg-Strelitzsche Staatskalender vereinzelt auf Papier der Mühle gedruckt wurde. Dieses Papier mit unterschiedlichen Wasserzeichen wird noch heute im Karbe-Wagner-Archiv-Neustrelitz verwahrt.

Durch die wirtschaftliche Stellung, die sich Lemelson im Großherzogtum erarbeitet hatte, war es schnell möglich, den Betrieb um einige Gebäude zu erweitern. So wurden unter anderem Wohnhäuser für Betriebsangestellte errichtet. 1815 wurde Moses Sohn David Lemelson (1809 getauft auf den Namen Gustav Ferdinant David Lemelson) nach seinem Militärdienst im Mecklenburg-Strelitzer Hussarenregiment in die Führung des Betriebes eingewiesen (Lemelson 2001: 245 f.). In einer Schätzung im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Brandversicherung wurde der Gesamtwert der Mühle und aller weiteren Gebäude des Mühlenstandortes auf 8.950 Taler beziffert. Zur Mühle gehörten damals 13.720 Quadratruten Land (ca. 195.000 Quadratmeter; Karbe-Wagner-Archiv). Abbildung 1 zeigt den Lageplan aller Gebäude des Betriebes im Jahr 1823.

Moses Lemelson trat mit seiner Familie 1809 zum christlichen Glauben über. Mit seinem Tod im Jahr 1829 ging die Mühle mit einem damaligen Wert von 7.500 Talern endgültig in den Besitz des Sohnes David über. 1835 starb Moses Witwe Albertine Sarah Lemelson und wurde auf dem Grundstück der Papiermühle bestattet. David und seine Schwestern ließen in Gedenken an ihre „geliebten Eltern“ einen Stein auf einer künstlichen errichteten Insel im Nonnenbach platzieren, der heute noch erhalten ist.

Im Laufe der 1840er Jahre verlor die Papiermühle aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Maschinenpapier ihre Wirtschaftlichkeit. Die Produktion wurde daher größtenteils auf Dachpappe aus Altpapier umgestellt. 1861, nach 60 Jahren im Familienbesitz, musste die Papiermühle letztendlich aus mangelnder Konkurrenzfähigkeit und der daraus folgend schlechten finanziellen Situation verkauft werden (Lemelson 2001: 247 f.).

Ein Großneffe Davids erinnert sich an das ehemalige Anwesend wie folgt:

„Sehr deutlich erinnere ich mich der fröhlichen klappernden Wassermühle, des geräumigen, aber einstöckigen Hauses mit hohem Giebeldach und den Souterrains für die Pressen und das aufgestapelte Büttelpapier, den herrschaftlichen Garten mit Teich und Pavillion nebst Gartenhaus mit bunt verglasten Türflügeln, durch die man sich die Welt in allen Farben ansehen konnte. Besonders aber an die romantischen Ufer des Flüsschens, das den Garten begrenzte und und einen Vergleich mit der rauschenden Schwarza in Thüringen nicht zu scheuen brauchte" (Lemelson 2001: 249 f.).

1867 war die Mühle im Besitz von Wilhelm Müller aus Neubrandenburg, der einen Antrag stellte, die Papiermühle in eine Schrot- und Mahlmühle umzurüsten. Dieser Antrag wurde bewilligt, sodass die Mühle fortan kein Papier mehr produzierte. 1872 verkauft Müller an C. Beißer aus Berlin, der die Ländereien landwirtschaftlich nutzte. 1877 ging das Mühlengrundstück an Friedrich Schmidt aus Schwerin und 1897 an Rudolf Braun aus Neubrandenburg.

1906 kaufte ein P. Scharlau das Anwesen als Gläubiger für 24.800 M und bot dieses noch im gleichen Jahr dem Kammer- und Forstkollegium Neustrelitz zum Kauf an. Am 8.5.1906 wurde der Vertrag unterzeichnet. Zu den Ländereien der Mühle gehörten laut handschriftlicher Notizen damals eine Haus- und Hofstelle, Garten, Acker und Wiesen. Die Kammer ließ mit Ausnahme einer Scheune die alten Gebäude abreißen und errichtete ein Forstgehöft „Forsthaus Zachow“, welches noch heute erhalten ist. Das Forsthaus hat neue Besitzer gefunden und soll saniert werden. Auch die bemerkenswerte Scheune steht noch, bedarf aber wie das Forsthaus dringend der Sanierung.

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Quellen

Abbildung 1 und 2: Lemelson, K. 2001: Die Papierherstellung in Mecklenburg-Strelitz am Beispiel der Wanzkaer Papiermühle. In: Mecklenburg-Strelitz Band 2 – Beiträge zur Geschichte einer Region. Verlag Druckerei Steffen GmbH, Friedland.

Abbildung 3-5: Privatarchiv Götz, V. 2020.

Abraham, M.; Berndt, T. & Götz, V. 2021: Wassermühlen und Windmühlen. In: Hochschule Neubrandenburg, Studiengang Naturschutz und Landnutzungsplanung. Projektbericht Historische Kulturlandschaftselemente als Zeugnisse des Landschaftswandels. Neubrandenburg: 10‒48.

Gemeinde Blumenholz (Hrsg.). 2010: Kalender "700 Jahre Usadel". Steffen GmbH. Friedland.

Karbe-Wagner-Archiv Neustrelitz, Karton Papier- und andere Mühlen, Akte Material gesammelt und zusammengestellt von Heinrich Hoffmann, Neustrelitz 1995; Akte Situationsplan und Taxe von den Gebäuden der Wanzkaer PapierFabrik, 1823, Akte Wanzkaer Papiermühle Lemelson und Akte Papiermühle Wanzka (darin Abriss der Geschichte).

Lemelson, K. 2001: Die Papierherstellung in Mecklenburg-Strelitz am Beispiel der Wanzkaer Papiermühle. In: Mecklenburg-Strelitz Band 2 – Beiträge zur Geschichte einer Region. Verlag Druckerei Steffen GmbH, Friedland.

Privatarchiv Waschitzek. Materialsammlung zur Nonnenmühle.