Prof. Dr. Hans Dieter Knapp
Erinnerungen zum Nationalparkprogramm
Die Initiative zum Nationalparkprogramm ergab sich damals einfach aus der Gunst der Stunde oder der Gunst der Zeit. Es war auch weder die erste noch die einzige Initiative im Naturschutz. Überlegungen zur Einrichtung von Nationalparken hatte es seit den 1950er Jahren wiederholt gegeben. Und im ZFA Botanik hatten wir uns seit den 1970 Jahren immer wieder Gedanken über eine zeitgemäße Schutzgebietskonzeption gemacht. Im Laufe des Jahres 1990 hat sich herausgestellt, dass es an verschiedenen Orten Überlegungen und Initiativen zur Schaffung großer Schutzgebiete gab, die wir dann zusammengebracht und zu einem Programmpaket gebündelt haben. Aber der Vorschlag zur Schaffung eines Nationalparks an der Müritz war sicherlich der erste konkrete Anstoß, der in guter Tradition aus dem Warener Museum kam. Mein Freund Ulrich Meßner, heute seit langem Chef des Müritz-Nationalparks, war damals am Museum tätig und hatte dort das von Joachim Rahn aufgebaute Süßwasser-Aquarium weiter entwickelt und geleitet. Der Museumsdirektor Ulrich Voigtländer war mit dabei, auch Dieter Martin von der Lehrstätte für Naturschutz Müritzhof. Wir haben im Wendeherbst 1989 wahrgenommen, dass es einen massiven Öffnungsdruck auf das Staatsjagdgebiet Müritz gab, das ja weiträumig verschlossen war. Es gab starken öffentlichen Druck, das Gebiet zu öffnen und die Staatsjagd abzuschaffen. Das war der Hintergrund dafür, die Idee eines Nationalparks aufzugreifen. Dazu haben wir uns ernsthafte Gedanken gemacht, ein 10 Seiten langes Papier, einen Vorschlag mit Begründung, Umgrenzung und so weiter für einen Müritz-Nationalpark entworfen und darauf hingewiesen, dass nach unserer Erkenntnis auch weitere Gebiete in der DDR es durchaus wert wären, in diesem Sinne entwickelt zu werden. Das haben wir als brave Bürger nach Berlin geschickt – im guten Glauben, dass man damit schon irgendetwas machen würde. Wir waren überzeugt, dass dies ein vernünftiger und guter Vorschlag sei und haben das an den Volkskammerpräsidenten und den Ministerpräsidenten geschickt. Das war im Dezember 1989, die Zeit der Modrow-Regierung. [...]
Succow wurde zu Januar 1990 zum Stellvertretenden Umweltminister berufen mit dem Auftrag, den Naturschutz neu zu organisieren und rief uns alle zu sich. Mitte Januar kam ich ins Umweltministerium nach Berlin mit dem ganz klaren Auftrag, jetzt das zu machen, was wir als Bürgerinitiative vorgeschlagen hatten. Über dem nächsten Papier, der Vorlage für den Zentralen Runden Tisch, stand dann groß „Nationalparkprogramm“. Da hatten wir ja auch schon die drei Gebietskategorien. Im Verlauf der Diskussionen Ende Dezember 1989/Anfang Januar 1990 war uns klar geworden, dass Nationalpark allein nicht ausreichen würde, weil es darüber hinaus wertvolle Kulturlandschaften gibt, die mit dem Instrument Nationalpark einfach nicht zu greifen sein würden. Das war uns ganz zu Anfang nicht klar. Wir hatten recht nebulöse Vorstellungen, was ein Nationalpark ist. Ich hatte in der Tschechoslowakei und Polen zwar welche gesehen, richtig damit auseinandergesetzt hatte ich mich aber noch nicht. Das wurde im Verlauf von 1990 dann aber dringend notwendig. Da gab es dann die Erkenntnis, dass wir noch eine entsprechende Kategorie für hochwertige Kulturlandschaften brauchten. Wir haben dann das Biosphärenreservat mit hineingenommen, es aber bei dem bereits eingebürgerten Begriff „Nationalparkprogramm“ belassen.
Es war eine höchst spannende Zeit, vielleicht die spannendste in meinem Leben überhaupt. Täglich hat sich irgendetwas ergeben. Die Entwicklung überschlug sich förmlich. Uns war wahrscheinlich mehr intuitiv bewusst, dass wir den Umbruch nutzen müssen, um mit dem Naturschutz einen ernsthaften Schritt weiterzukommen. Am bisherigen System des Naturschutzes in der DDR hatten wir reichlich Kritik geübt. In den 1970er Jahren hatten wir mit dem Zentralen Fachausschuss schon einmal einen Vorstoß zu einem neuen Schutzgebietssystem gewagt, sind damit aber abgewiesen worden. Das hatten wir also im Hinterkopf und uns war klar, dass es Zeit ist, rasch und zielgerichtet zu handeln. Wir haben natürlich nicht geahnt, wie schnell das gehen würde, sondern waren davon ausgegangen, zwei bis drei Jahre Zeit zu haben. Es ging dann alles sehr viel schneller.
Literatur zum Weiterlesen
Behrens, H. und Hoffmann, J. (Hg..): Naturschutzgeschichte(n) – Lebenswege zwischen Ostseeküste und Erzgebirge. Friedland 2013.
Succow, M.; Jeschke, L.; Knapp, H.: Naturschutz in Deutschland. Berlin 2012.
Succow, M.; Jeschke, L.; Knapp, H.: Die Krise als Chance - Naturschutz in neuer Dimension. Neuenhagen 2001.
Zur Person
geboren 1950 in Putbus auf Rügen
Studium der Biologie in Greifswald und der Geobotanik in Halle, anschließend für vier Jahre dort wissenschaftlicher Assistent; 1977 bis 1983 Kustos am Müritz-Museum in Waren; danach bis 1990 freiberuflich tätig
seit 1992 Leiter der Außenstelle Vilm des Bundesamtes für Naturschutz mit der Internationalen Naturschutzakademie; Honorarprofessor am Institut für Botanik und Landschaftsökologie an der Universität Greifswald
bereits während der Schulzeit Naturschutzhelfer; ehrenamtliche Tätigkeit im Zentralen Fachausschuss Botanik des Kulturbundes und in der kirchlichen Friedensarbeit