Dr. Mechthild und Dr. Christoph Kaatz

Erinnerungen zur Arbeit des Storchenhofs Loburg

Die Vorgeschichte des Storchenhofes begann schon Ende der 1960er Jahre. Es wurde deutlich, dass man eigentlich so eine Stelle haben müsste, von wo aus der Storchenschutz gesteuert wird und Empfehlungen gegeben werden, wo die Bestandserfassung zusammengefasst wird. Man wusste bloß noch nicht, in welcher Form das eigentlich passieren soll. Und dann gab es fast gleichlaufend zwei Initiativen: Zum einen von Bad Freienwalde aus, wo der liebe Kurt Kretschmann und seine Erna das als Bestandserfassung betrieben. Zum anderen fast zu gleicher Zeit sind wir 1975 von Rottenau nach Loburg gezogen und haben hier ein ideales Gelände erwerben können. […] Ab 1977, nachdem wir uns hier etwas eingerichtet hatten, haben wir mit dem Aufbau in Richtung Storchenhof begonnen. Es war ja Mangelwirtschaft, man musste um jeden Sack Zement und jede Rolle Draht kämpfen, aber es war auch ein großes Erfolgserlebnis, wenn es klappte. So haben wir dann mit unserer Naturschutzgruppe aus Rottenau, mit den jungen Leuten, hier das erste Gehege aufgebaut, was dann den Grundstock des Storchenhofes bedeutete. Feierliche Eröffnung war 1979. Und das wurde dann ehrenamtlich betrieben. Wir beide waren im Beruf. Fütterung und Aufnahme von Störchen haben wir über unsere Schülerarbeitsgemeinschaft gemacht. Unser Storch Nummer 1 kam dann 1979. Wir sind mittlerweile, mit Verlaub gesagt, bei Nummer 1504. Jeder Storch, der hierher kommt, kriegt ein Formblatt und eine Nummer.

In dieser Art und Weise haben wir das bis 1987/1988 betrieben. Es stand ja immer die Frage, wie es weiter geht. Es war ja auch eine kolossale Belastung. Wir hatten unsere Berufe und mussten das hier nebenbei durchhalten. Unsere Söhne und auch andere Naturschutzgruppen haben natürlich sehr geholfen, das muss man auch sagen.
Ein Ziel, das wir mit dem Storchenhof verbanden, war es, eine feste, eine zentrale Stelle zur Aufnahme von verunglückten, kranken, abgedrängten Weißstörchen zu schaffen. Das war erst mal ganz wichtig. Es ging aber nicht nur darum, dem Einzeltier zu helfen. Viel wichtiger war uns eigentlich die Frage dahinter, nämlich aufzuzeigen, was in der Landschaft unbedingt getan werden muss, damit diese Verletzungen und Erkrankungen viel weniger auftreten. […]
Ab 1985/1986 haben wir gesagt, das diese Arbeit in Bälde ehrenamtlich überhaupt nicht mehr machbar ist. Das war eine große Sorge, denn unsere Söhne mussten ja zur Armee und dann zum Studium. Wir waren noch im Beruf. Das hat uns viel Sorge gemacht. Wir haben dann eine ganz große Tagung einberufen. Davon konnten wir damals auch Professor Dr. Heinrich Dathe, den obersten Ornithologen der DDR, überzeugen. Wir waren ja nun endlich auch dort oben beim Zentralverband des Kulturbundes anerkannt. Das hat Jahre gekostet, bis wir diesen Status erreicht hatten. Wir konnten Prof. Dathe dazu bewegen, dass die 1. Internationale Weißstorchtagung der DDR hier in Loburg stattfand. Da sind wir in die Vollen gegangen und haben Storchenschützer aus Polen, aus der CSSR, aus Ungarn und Rumänien eingeladen. Auch den bösen Klassenfeind in Form von Hartmut Heckenroth, aus der Bundesrepublik Deutschland, hatten wir erfolgreich eingeladen. […] In dem Zeitraum von 1984 bis 1987 habe ich stückweise unseren Kurt Kretschmann entlastet und dann den Arbeitskreis übernommen. Der war ja DDR-weit angelegt. In jedem Bezirk gab es einen Bezirksbeauftragten. Regelmäßig hatten wir unsere Treffen, das nannte sich „erweiterte Leitungsberatung“ im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde. So erfolgte der Übergang. […]

Der Arbeitskreis Weißstorch der DDR bestand ja nun im Kulturbund und es gab die Frage, unter welches Dach sich der Arbeitskreis nach der Wende begibt. Das ging auch so hin und her. Wir dachten uns dann, dass wir unter dem Dach des sich bildenden Naturschutzbundes, dem NABU, am besten aufgehoben sind. Wobei es doch in den Anfangsjahren durchaus Auseinandersetzungen gab. Es war ja eine gewisse Grundhaltung, dass das, was in der DDR war, irgendwie alles angegangen und schlecht bzw. gar nicht richtig war – und auch der Weißstorchschutz konnte doch hier nichts Gutes sein. Ich hatte dann öfter auch aus den alten Bundesländern einige Weißstorchschützer hier. Ich habe diesen auf einer Karte gezeigt, wo die deutsch-deutsche Grenze ist und wo die vielen Störche sind – im östlichen Teil. Und dann habe ich denen gesagt: „So, nun geht nach Hause, weint bitterlich, und wir sagen Euch, wie man die Störche schützt. Jetzt nehmen wir Euch mal unter unsere Fittiche.“ Heute gibt es zwar auch noch diese und jene Probleme, aber für ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl haben wir uns wahnsinnig eingesetzt. Man kann heute sagen: „Ost und West in einem Nest.“ Das war und ist auch weiterhin unser Bestreben. So haben wir darauf hingewirkt, in jedem Bundesland einen Landes-Weißstorchbetreuer zu gewinnen. Jedes Jahr wird in einer unendlichen Arbeit eine flächendeckende Bestandserfassung des Weißstorches durchgeführt. In Loburg findet auch jährlich die größte Weißstorchtagung deutschlandweit und darüber hinaus statt. Das Grundprinzip ist, Heimat der Weißstorchschützer/Innen für ganz Deutschland zu sein.

Literatur zum Weiterlesen

Behrens, H. und Hoffmann, J. (Hg..): Naturschutzgeschichte(n) – Lebenswege zwischen Ostseeküste und Erzgebirge. Friedland 2013.

Kaatz, C.; Kaatz, M. (Hg.): 4. Jubiläumgsband Weißstorch. Loburg 2019.

Kaatz, C.; Kaatz. M. (Hg.): 3. Jubiläumsband Weißstorch. Loburg 2008.

Kaatz, C.; Kaatz. M. (Hg.): 2. Jubiläumsband Weißstorch. Loburg 2001.

Kaatz, C.; Kaatz. M. (Hg.): Jubiläumsband Weißstorch. Loburg 1996.

Zur Person Mechthild Kaatz

geboren 1939

Studium der Veterinärmedizin an der Humboldt-Universität zu Berlin

Fachtierärztin für Geflügelproduktion und Geflügelkrankheiten; ab 1968 Arbeit im VEB Broiler- und Frischeierproduktion Möckern; ab 1976 Arbeit im Veterinäramt des Rates des Kreises Zerbst; seit 1991 hauptamtliches Mitglied des Storchenhofes; 2004 Ausscheiden aus der Naturschutzverwaltung

Zur Person Christoph Kaatz

geboren 1938

Landwirtschaftsstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin

1964 bis 1988 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geflügelzucht der DAL, anschließend Zuchtbetrieb Rottenau im KIM Möckern

seit 1965 ehrenamtliche Tätigkeit als Leiter der Fachgruppe Ornithologie und Vogelschutz Loburg/Rottenau und in der BAG Artenschutz des Bezirkes Magdeburg sowie im Arbeitskreis Weißstorch im Kulturbund der DDR (seit 1988 des Arbeitskreises)

seit 1988 Leiter des Storchenhofes Loburg; seit 1991 ehrenamtlicher Sprecher der Bundesarbeitsgruppe Weißstorchschutz Deutschlands im Naturschutzbund Deutschland e.V.