Agrochemische Zentren der DDR

Abb. 1 Anzahl der ACZ und der Beschäftigten in der DDR.

Hintergründe der Bildung von Agrochemischen Zentren

Auf dem VIII. Parteitag der SED im Juni 1971 wurden die „Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes auf der Grundlage eines hohen Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der Effektivität, des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des Wachstums der Arbeitsproduktivität“ als Hauptaufgaben der kommenden Jahre festgelegt. Diese „sozialistische Intensivierung“ sollte im Bereich Landwirtschaft durch Chemisierung, Mechanisierung, Melioration, technische Trocknung und wissenschaftlich-technischen Fortschritt erreicht werden. Kooperationen sollten bei der Umsetzung eine zentrale Rolle spielen (Krenz 1996: 114). Auch wenn die Forderung nach Kooperationen nicht neu war – sie kam bereits im Zuge vorheriger Parteitage auf – so folgten die LPG dem Aufruf bis dato nur zögerlich. Erst mit den konkreteren Umsetzungsforderungen im Laufe der 1970er Jahre nahm die Bildung von Kooperationen zur Erreichung industriemäßiger Produktionsverhältnisse ihren Lauf (ebd.: 116 f.). 

Hauptziele von Kooperationen im Bereich Pflanzenschutz und Düngung waren Kosteneinsparungen durch eine höhere Auslastung der Pflanzenschutztechnik, Steigerung der Arbeitsqualität sowie eine schnellere Einführung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse (Lembcke 1968: 51). Der langfristigen staatlichen Planung zufolge sollte die Hälfte des geplanten Erntezuwachses in der Pflanzenproduktion durch Anwendung chemischer Mittel erfolgen (Haubold & Schmidt 2009: 158). Für die Durchführung von Pflanzenschutzarbeiten wurden ab 1965 in fast allen Bezirken der DDR sogenannte Pflanzenschutzbrigaden oder agrochemische Brigaden gegründet. Die nächste Stufe der Kooperation sowie der Spezialisierung war die Einrichtung Agrochemischer Zentren (ACZ). In Schafstädt (Sachsen-Anhalt) wurde 1966/67 das erste Agrochemische Zentrum in der DDR eingerichtet (ebd.: 158).

Nach Parteitagsbeschlüssen sollte bis 1975 ein Netz aus insgesamt 334 Agrochemischen Zentren aufgebaut werden (Meier & Böhl 1972: 4). Nachdem dieses Ziel in den Anfängen der 1970er Jahre fast erreicht wurde, sank die Zahl der ACZ durch gleichzeitige Konzentrationsprozesse bis 1983 auf 264 und blieb bis zur Wende konstant. Die Zahl der Beschäftigten nahm im Laufe der 1970er Jahre stark zu, ging in den 80er Jahren leicht zurück und stieg dann bis zur Wende erneut an (Statistisches Amt der DDR 1990: 221).

Abb. 2 Als Traglufthalle errichtetes Düngerlager eines ACZ.

Organisation der Agrochemischen Zentren

Anfänglich wurden die ACZ als spezialisierte Abteilungen der Bäuerlichen Handelsgenossenschaft (BHG) gegründet. Später wurden sie aus der BHG herausgelöst und als juristisch selbstständige zwischenbetriebliche Einrichtungen geführt (Haubold & Schmidt 2009: 159). Das oberste Organ war die Bevollmächtigtenversammlung, zu der von jedem Mitgliedsbetrieb ein Bevollmächtigter sowie zwei Vertreter delegiert wurden. Diese wählte u. a. den Vorstand, der wiederrum einen Leiter berief und kontrollierte (ebd.: 160). Bereits in den 1970er Jahren wurden die agrochemischen Arbeiten der LPG, VEG und Forstbetriebe nahezu flächendeckend von den ACZ betreut (ebd.: 159 f.). In den Betrieben verblieben jedoch meist hochqualifizierte Pflanzenschutzagronomen, die die Pflanzengesundheit und die durch das ACZ durchgeführten Pflanzenschutzmaßnahmen überwachten (Görlitz 1974: 120). Da die Belieferung der ACZ hauptsächlich mit der Bahn erfolgte, wurden sie mit Gleisanschlüssen und Verladestützpunkten ausgestattet (Haubold & Schmidt 2009: 160). Die ACZ verfügten über ein zentrales Düngerlager mit einer Lagerkapazität von 5.000 bis 12.000 t (Meier & Böhl 1972: 4). Des Weiteren gehörten Lagerbehälter für Flüssigdünger und Pflanzenschutzmittel, ein Flugplatz, Wasch- und Pflegestützpunkt für Fahrzeuge, Garagen und Unterstellflächen sowie Verwaltungs- und Aufenthaltsgebäude zu den baulichen Anlagen der ACZ (Deutsches Landwirtschaftsmuseum Schloss Blankenhain 2020).

Weiter mit den Aufgaben der ACZ oder zurück zur Übersicht


Quellen

Abbildung 1: Reinke, C. 2021. Datengrundlage: Statistisches Amt der DDR 1990.

Abbildung 2: Haubold & Schmidt 2009: 159.

Deutsches Landwirtschaftsmuseum Schloss Blankenhain 2020: Komplexmodell Agrochemisches Zentrum. Link zur Website. Letzter Zugriff: 02.03.2022. 

Görlitz, H. 1974: Die Aufgaben des Betriebspflanzenschutzagronomen, seine Zusammenarbeit mit dem agrochemischen Zentrum und den staatlichen Pflanzenschutzdienst. In: Nachrichtenblatt für den Pflanzenschutz in der DDR 28 (6): 120–122

Haubold, F., Schmidt, K. 2009: Agrochemische Zentren. In: Schmidt, K. (Hrsg.): Landwirtschaft in der DDR: VEG, LPG und Kooperation - wie sie wurden, was sie waren, was aus ihnen geworden ist, Agrimedia GmbH, Clenze: 158-163.

Jeske, A., Köhler, S. 1966: Anerkannte Pflanzenschutzmaschinen und -geräte. In: Nachrichtenblatt für den Deutschen Pflanzenschutzdienst 20 (6): 166–174.

Krenz, G. 1996: Notizen zur Landwirtschaftsentwicklung in den Jahren 1945-1990. Schwerin.

Lembcke, G. 1968 Zum kooperativen Einsatz der Pflanzenschutztechnik in der DDR. In: Deutsche Agrartechnik 18 (2): 51–53.

Meier, B., Böhl, K. 1972: Zum weiteren Aufbau der Agrochemischen Zentren. In: Deutsche Agrartechnik 22 (1): 4–6.

Statistisches Amt der DDR (Hrsg.) 1990: Statistisches Jahrbuch der DDR, 35. Rudolf Haufe Verlag Berlin.

Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (Hrsg.) 1974 – 1989: Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik, 19 - 34. Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik.