Agrochemische Zentren
Aufgaben der Agrochemischen Zentren
Die ACZ „… dienten als zwischenbetriebliche Einrichtungen von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), volkseigenen Gütern (VEG) und kooperativen Abteilungen der Pflanzenproduktion (KAP). Zur Durchsetzung industrieller Methoden in der Pflanzenproduktion hatten sie die Aufgabe, den Transport, Umschlag und die Lagerung, auch TUL Prozess genannt, von Mineraldüngemitteln, Flüssigdüngemitteln sowie die Zwischenlagerung von Pflanzenschutzmitteln zu übernehmen. Darüber hinaus waren sie für die Organisation des Einsatzes von Agrarflugzeugen in Kooperation zwischen mehreren ACZ verantwortlich“ (Deutsches Landwirtschaftsmuseum Schloss Blankenhain 2020). Auch die agrochemische Beratung der Agrarbetriebe, die Desinfektion von Ställen und die biologische Prozesssteuerung im Pflanzenschutz gehörte zu ihren Aufgaben (Haubold & Schmidt 2009: 159 f., Meier & Böhl 1972: 4, Böhl & Liebold 1972: 8).
Der steigende Einsatz chemischer Mittel in der Landwirtschaft war mit einer starken Weiterentwicklung in der Pflanzenschutztechnik verbunden und wurde zum Teil erst durch diese ermöglicht. Das Ausbringen von Dünger mit Hand oder das Spritzen von Pflanzenschutzmitteln mit einfachen Rückenspritzen wurde bereits in den 1960er Jahren von motorisierten Rückenspritzen sowie LKW- oder traktorgezogenen Düngerstreuern und Spitzmaschinen abgelöst (Jeske & Köhler 1966: 166 ff., Schmerler 1969: 469). Entscheidend für den Transport, aber auch für die Ausbringung der Agrochemikalien war der LKW W50, der mit Aufsätzen für mineralische Düngemittel, Stalldung und Pflanzenschutzmitteln bestückt werden konnte (Haubold & Schmidt 2009: 160 f.). Bereits ab Ende der 1950er-Jahre wurden auch Agrarflugzeuge genutzt (Britt 1969: 471). Die Besatzdichte mit Agrarflugzeugen war im Norden der DDR wesentlich höher, da diese vor allem für ebenes Gelände geeignet waren. Im bergigen Süden kamen hauptsächlich Hubschrauber zum Einsatz (Böhl 1979: 95). Vor allem die Förderung der Technik und die Entstehung großer Ackerflächen führten zu einem schnellen Anstieg des Einsatzes der Flugzeuge (Meier 1974: 113). Etwa 40 % des gesamten Stickstoffdüngers und 20 % der Pflanzenschutzmittel wurden durch den Agrarflug ausgebracht (Haubold & Schmidt 2009: 160).
Die zunehmende Verwendung chemischer Mittel in der Landwirtschaft war jedoch mit erheblichen Risiken für Menschen und Umwelt verbunden. Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutztechnik musste zwar staatlich geprüft und zugelassen werden (Akademie der Landwirtschaftswissenschaften 1986: 6), jedoch häuften sich unsachgemäße Anwendungen, welche aber nur selten geahndet wurde (Wensierski 1985: 62 ff.).
Agrochemische Zentren im Bezirk Neubrandenburg
1973 bestanden im Bezirk Neubrandenburg insgesamt 33 Agrochemische Zentren und Brigaden. Bis 1975 wurden alle Pflanzenschutzbrigaden in Agrochemische Zentren umgewandelt (Staatliche Zentralverwaltung für Statistik 1977: 186). Bis 1978 sank die Zahl durch Zusammenlegungen auf 26 Agrochemische Zentren, die bis 1989 wirtschafteten (Statistisches Amt der DDR 1990; Staatliche Zentralverwaltung für Statistik 1974–1989). Die Anzahl der ständig in Agrochemischen Zentren und Brigaden Beschäftigten stieg ab 1973 stark an und erreichte 1980 mit insgesamt 2.672 Beschäftigten das Maximum. Innerhalb der 1980er Jahre sank die Zahl zunächst leicht, stieg anschließend aber wieder an.
Im Jahr 1973 wurden durch die Agrochemischen Zentren und Brigaden im Bezirk Neubrandenburg insgesamt 503.751 ha landwirtschaftliche Fläche mit Pflanzenschutzmitteln behandelt. Fast auf der Hälfte der Fläche (240.770 ha) wurden die Mittel durch Agrarflugzeuge ausgebracht. Bis 1989 stieg die insgesamt behandelte Fläche um rund 260 % auf 1.343.200 ha an (Statistisches Amt der DDR 1990; Staatliche Zentralverwaltung für Statistik 1974 – 1989). Nicht zentral erfasst wurde die durch Landwirtschaftsbetriebe selbst ausgebracht Menge Pflanzenschutzmittel.
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Quellen
Abbildung 1: Jeske & Köhler 1966: 168.
Abbildung 2: Schmerler 1969: 469 - 470.
Abbildung 3: Reinke, C. 2021. Datengrundlage: Statistisches Amt der DDR/ Staatliche Zentralverwaltung für Statistik: Statistisches Jahrbuch der DDR. Bände 1974 – 1990. Rudolf Haufe Verlag Berlin/ Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik.
Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (Hrsg.) 1986: Pflanzenschutzmittelverzeichnis der Deutschen Demokratischen Republik 1987/88. VEB Deutscher Landwirtschaftsverband, Berlin.
Böhl, K., Liebold, W. 1972: Das Hygienegerät "Neustadt/Orla". In: Deutsche Agrartechnik 22 (1): 8–11.
Britt, W. 1969: Der Agrarflug in der DDR – Entwicklung, Stand, Perspektive. In: Deutsche Agrartechnik 19 (10): 471–473
Deutsches Landwirtschaftsmuseum Schloss Blankenhain 2020: Komplexmodell Agrochemisches Zentrum. Link zur Website. Letzter Zugriff: 02.03.2022.
Haubold, F., Schmidt, K. 2009: Agrochemische Zentren. In: Schmidt, K. (Hrsg.): Landwirtschaft in der DDR: VEG, LPG und Kooperation - wie sie wurden, was sie waren, was aus ihnen geworden ist, Agrimedia GmbH, Clenze: 158-163.
Jeske, A., Köhler, S. 1966: Anerkannte Pflanzenschutzmaschinen und -geräte. In: Nachrichtenblatt für den Deutschen Pflanzenschutzdienst 20 (6): 166–174.
Meier, B. 1974 Gegenwärtiger Stand beim Aufbau und der Ausstattung der Agrochemischen Zentren. In: agrartechnik 24 (3): 111–114.
Meier, B., Böhl, K. 1972: Zum weiteren Aufbau der Agrochemischen Zentren. In: Deutsche Agrartechnik 22 (1): 4–6.
Schmerler, R. 1969: Analyse und Ausblick zur Chemisierung der pflanzlichen Produktion in der DDR. In: Deutsche Agrartechnik 19 (10) 469–471.
Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (Hrsg.) 1974 – 1989: Statistisches Jahrbuch der DDR. Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik.
Statistisches Amt der DDR (Hrsg.) 1990: Statistisches Jahrbuch der DDR, 35. Rudolf Haufe Verlag Berlin.
Wensierski, P. 1985: „Wir haben Angst um unsere Kinder“ - SPIEGEL-Report über die Umweltverschmutzung in der DDR (II). In: Der Spiegel 1985 (29): 62–68.