Errinerungsarbeit Lindenberg Digital

Förderer: Hochschule Neubrandenburg (2023)

Geschichte der UHA Neubrandenburg

Fakten und bauliche Besonderheiten der UHA Neubrandenburg

Geplant wurde die UHA bereits seit 1956, errichtet wurde sie jedoch erst 1983-86 (Halbrock 2021: 61 ff.). Der Komplex, der flächenmäßig nach Berlin-Hohenschönhausen die zweitgrößte Stasi-Liegenschaft sein soll, lag auf dem Neubrandenburger Lindenberg innerhalb des Sperrgebietes der Bezirksverwaltung Neubrandenburg (BV), unweit der Hauptstraße (der heutigen B96), von der Öffentlichkeit durch eine Phalanx von Plattenbauten etwas abgeschirmt. Die offizielle Anschrift der Untersuchungsabteilung (Abt. IX) und der Wach- und Sicherungsabteilung (Abt. XIV) lautete „UHA des MfS, Neubrandenburg, Leninstraße 120“ (Halbrock 2021: 65). 1.431 hauptamtliche und 5.521 inoffizielle Mitarbeitende des MfS wurden im Komplex in den letzten Jahren der DDR beschäftigt.

Die UHA verfügte über ca. 60 Zellen und war ausgelegt auf ca. 100 Inhaftierte. Die Kapazität ließ sich jedoch auf das Dreifache erhöhen, sollte ein – in der DDR-Ära stets befürchteter – „[i]nnenpolitischer Krisenfall“ eintreten (Halbrock 2012: 65). Durchschnittlich 45 Untersuchungshäftlinge saßen durchschnittlich zwischen der Eröffnung im Mai 1987 und dem Herbst 1989 ein, die letzten „Neuzugänge“, drei Jugendliche aus Neustrelitz, wurden am 8. Oktober 1989 eingeliefert (Halbrock 2012: 65 f.). Nebst den Zellen umfasst der Gebäudekomplex einen direkt angeschlossenen Vernehmertrakt, eine Kantine (für Stasi-Mitarbeitende) samt eigener Küche, sechs Krankenzimmer, die Schleuse und die Freigangszellen. Letztere (Abb. 1), eine architektonische Besonderheit von Lindenberg, wurden vollständig abgerissen und auch die Glasbausteinfenster wurden im Rahmen des Umbaus zur Justizvollzungsanstalt (JVA) 1990 entfernt.

Geschichte und Bedeutung der UHA

Die Geschichte und die Bedeutung der 1987 eröffneten Stasi Untersuchungshaftanstalt (UHA) in der DDR-Bezirkshauptstadt Neubrandenburg ist bis heute kaum der Öffentlichkeit bekannt. Die einzige Studie zur UHA auf dem Neubrandenburger Lindenberg hat der Historiker Dr. Christan Halbrock in seinem Buch über die Haftanstalt in der Neustrelitzer Töpferstraße publiziert (Halbrock 2021: 61-69).

Nutzbare Quellen und Materialien des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) wurden vor der Vernichtung durch die DDR-Bürgerbewegung ab 1990 geschützt und werden nun vornehmlich bei der Stasiunterlagenbehörde (jetzt als Teil des Bundesarchivs) aufbewahrt. Fakten und Bedeutungshintergründe zum letzten fertiggestellten und als UHA genutzten Gebäude sind einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt.

Besonderheiten des modernen Gefängnisses am Lindenberg

Die lückenlose Abschottung der Untersuchungshäftlinge wurde durch verschiedene bauliche Maßnahmen umgesetzt: „An verschiedenen Stellen befanden sich in den Gängen verschließbare Unterstellzellen“. Im „Aufnahmebereich“ existierten sechs und im sogenannten Verbinder – dem Gebäudeteil zwischen dem Zellentrakt und dem Verwaltungsgebäude – pro Durchgang zwei Stehzellen. Im Hafttrakt gab es auf jeder Etage zudem drei nebeneinander liegende Isolier-Stehzellen. Darin konnten Häftlinge unkompliziert versteckt werden, falls sich ein anderer Häftling gleichzeitig auf Transport befand. Somit ließ sich das Risiko, dass sich zwei Häftlinge begegneten, minimieren“ (Halbrock 2021: 66). Die Zellen, die jederzeit abgehört werden konnten, wurden mit doppelten Wänden ausgestattet, hinter denen sich Heizungen verstecken. Die möglichst hohe Schallisolierung entsprach der „Forderung nach jeder Unterbindung von Klopfkontakten“ (Halbrock 2012: 67).

Viele Relikte der DDR-Vergangenheit überdauerten den Umbau und die Benutzung des Haftgebäudes als JVA, wie zum Beispiel die Gitter auf den Fluren, die Zellentüren und die eigenartigen Stehzellen, sodass der Bau letztlich den Eindruck einer UHA behält. Die Größe des Baus ist erschlagend, die Treppenaufgänge mit unterschiedlichen inneren Etagen sind verwirrend und so unübersichtlich, dass bei Besichtigungen des Komplexes auf die Gefahr, sich zu verlaufen, hingewiesen wird.

Freigangszellen

Bei den Freigangszellen handelt es sich um 12 konisch, also kegelförmig angeordnete Beton- Zellen, nach oben abgeschlossen durch Maschendraht und zueinander hermetisch abgeriegelt, so dass eine Kontaktaufnahme der Inhaftierten untereinander während des täglich auf eine Stunde begrenzten Besuchs in den Zellen, die im Hof standen, unmöglich war. Die Zellen stellten im eigentlichen Sinne Betonkäfige dar (Halbrock 2012: 67). Durch eine zentrale Plattform in der Mitte waren alle Zellen durch einen Posten jederzeit einzusehen (Halbrock 2012: 67). Diese perfide Bauweise der Freigangszellen erinnert an die Idee von Jeremy Bentham (1748-1831), welche er in seinem 1791 veröffentlichten „Panoptikum“ vorstellte. Der 1987-89 genutzte Betonkäfig mit den sog. Freigangszellen, die wie Tortenstücke angeordnet wurden, sind im Rahmen des Umbaus zur JVA auf dem Hof des UHA-Gebäudekomplexes vollständig entfernt worden.